NGG: Zu geringe Tarifbindung von Betrieben – „Politischer Push pro Tarifvertrag“ nötig
Wichtig in Zeiten hoher Preissteigerungen: eine positive Entwicklung des
Einkommens. „In der Regel ist da, wo ein Tariflohn bezahlt wird, auch mehr in der
Lohntüte“, sagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Deshalb fordert
die NGG Hamburg-Elmshorn jetzt auch im Kreis Stormarn deutlich mehr Tarif-
Jobs. Auch in den Betrieben, in denen Nahrungsmittel hergestellt oder verarbeitet
würden, gebe es, so die Gewerkschaft, erheblichen Nachholbedarf. „Wenn das
eigene Unternehmen nicht an den Tarif der Branche gebunden ist, hat das für die
Beschäftigten erhebliche Folgen. Nicht nur ihr Verdienst ist meistens deutlich
niedriger als der Tariflohn. Auch die im Tarifvertrag vereinbarten Regelungen zur
Arbeitszeit, zum Urlaub oder zu Kündigungsfristen gelten für die Beschäftigten
nicht. Und bei Sonderzahlungen gehen sie ohnehin meistens leer aus“, sagt Silke
Kettner von der NGG Hamburg-Elmshorn.
Die Arbeitsbedingungen in tariflosen Betrieben seien in der Regel deutlich
schlechter. „Hier fehlen ganz einfach die für die Branche geltenden ‚Job-
Leitplanken‘, für die die Gewerkschaft sorgt“, so die NGG-Geschäftsführerin. Nach
einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung müssen Beschäftigte ohne Tarifvertrag pro Woche fast eine
Stunde länger arbeiten als tariflich Beschäftigte. Außerdem verdienten sie
durchschnittlich 11 Prozent weniger.
Mit Blick auf die Tarifbindung im Ernährungsgewerbe verweist Silke Kettner auf
neueste Zahlen des Statistischen Bundesamtes: „In Schleswig-Holstein kommen
nur 47 Prozent aller Beschäftigten in der Herstellung von Nahrungs- und
Futtermitteln in den Genuss eines Tarifvertrags. Trotzdem ist für viele der
Beschäftigten der Branche im Kreis Stormarn der Job mit Tarifvertrag noch immer
nicht die Regel.“ Damit sich das ändere, müsse die Politik die Weichen für eine
stärkere Tarifbindung stellen.
Silke Kettner: „Es muss dafür gesorgt werden, dass mehr Beschäftigte unter dem
Schutz eines Tarifvertrags arbeiten und den fairen Tariflohn bekommen.
Notwendig ist deshalb ein ‚politischer Push pro Tarifvertrag‘. Ziel muss eine
100-Prozent-Quote sein. Das heißt, dass Tarifverträge für alle Betriebe einer
Branche gelten müssen und zwar ohne Ausnahme. Die schon jetzt existierende
Möglichkeit, Tarifverträge – durch die sogenannte Allgemeinverbindlichkeit – für
alle als verpflichtend zu erklären, muss hierzu erleichtert werden. Die EU forderte
2022 immerhin eine Quote von 80 Prozent Tarifbindung. Deutschland hat mit
seinen ungefähr 50 Prozent noch einen weiten Weg vor sich.“ Kettner appelliert
deswegen an die heimischen Bundestagsabgeordneten, die politischen Weichen
für eine Stärkung der Tarifbindung zu stellen. Auch im Koalitionsvertrag hätten
sich die Ampel-Parteien dafür ausgesprochen.