Projektwerkschau am Kopernikus Gymnasium

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Das nervt!
Beschwerden – gebrüllt, geflüstert, getanzt und gemalt
Im Allgemeinen ist es nicht so einfach, Beschwerden zu äußern, zu sagen, wo genau der Schuh drückt. Trifft man den Ton? Ist man zu laut oder zu zaghaft? Der Wahlpflichtkurs Kultur der neunten Klassen des Kopernikus Gymnasiums hat sich in diesem Halbjahr unter dem Motto „Das nervt!“ dem Thema „Beschwerde“ genähert.
Gemeinsam mit drei externen Künstlerinnen und ihrer Lehrerin Kathrin Martin erarbeitete der Kurs sehr engagiert ein Bühnenstück.

Kathrin Martin WPK Kultur3
„Ich hab keinen Bock, den Anfang zu machen.“ Im Halbdunkel sitzen die Schüler auf der Bühne, schreiben, knüllen ihr Papier, machen mechanische Bewegungen. „Ich hab keinen Bock auf Leute, die mich korrigieren“. Statement um Statement wird rhythmisch vorgetragen – sie meinen, was sie sagen. Den schwarzen Vorhang im Hintergrund ziehen sie schließlich auf, im Gegenlicht sieht man ihre Körper schemenhaft vor einer Wand aus von hinten beleuchteten Graffitis. Da steht: „Mensch“, „Egoismus“, „Why?“ und mehr.

Caroline Gebauer (l.) und Julia Smolengo
Caroline Gebauer (l.) und Julia Smolengo

Es ist nur eine halbstündige Werkschau des WPK Kultur, aber sie nimmt die Zuschauer der siebten und achten Klassen in der Kuhle am letzten Schultag im Jahr ganz gefangen. Denn der Bogen ist weit gespannt: Von allgemeinen politischen und sozialen Missständen („Denkt ihr, die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen, den Deutschen ihre Arbeitsplätze zu nehmen?“)über den Stress in der Schule („Wenn wir eine Arbeit schreiben, nehmen sich die Lehrer zwei Wochen Zeit zum Korrigieren, aber wir sollen alles bis zum nächsten Tag fertig haben“) bis zu ganz persönlichen Problemen („Ich hab kein Bock auf meine aggressive Mumm“) und Nervereien, die mit Humor genommen werden („Warum machen Pommes dick?“). Zum Teil werden die Refrains der Beschwerdechöre, wie z.B. bei „Schule ist unfair“ sofort von den Zuschauern mitgesprochen. Besonders sehenswert war auch der gerappte Auftritt einer Gruppe von Jungs, die ihre Wut gegen unfaire Behandlung in Reime und Bewegung schlagkräftig umsetzten.
Entstanden ist das Projekt als Abschlussarbeit der Fortbildungsmaßnahme zum Kulturvermittler in „Schule trifft Kultur – Kultur trifft Schule“, finanziert von der Stiftung Mercator und dem Land SH. Kathrin Martin (Lehrerin für Musik und Mathematik) und die drei Künstlerinnen haben mit der Werkschau den Titel der „Kulturvermittlerin“ erworben und werden weiter solche und ähnliche Projekte in Schleswig-Holstein planen und durchführen.
Die Lübecker Künstlerinnen haben nacheinander seit September mit dem Kurs gearbeitet. HannaH Rau (das große H ist Absicht), Wortwerkerin, machte den Anfang. Sie brachte mit Schreibimpulsen und Mitteln des Theaters die Schüler dazu, Wut, Frust, Verzweiflung und Resignation auf dem Papier zu äußern und rhythmisch zu formulieren. Anschließend setzte Tänzerin und Choreographin Katja Grzam die Texte in Zusammenarbeit mit dem Kurs in Bewegungen und Tanz um und in einer dritten Einheit entstand unter der Leitung von Malerin Barbara Engel ein Graffiti-Bühnenbild.
All diese Einzelteile wurden dann in wenigen Stunden zu einem Ganzen zusammengesetzt – noch ist der Prozess nicht abgeschlossen. Es gibt noch einige Texte, die nicht zum Einsatz kamen – und sicher kann noch mehr hinzukommen, was ausformuliert und geäußert werden sollte. Das Projekt soll bis zum Ende des Schuljahres fortgesetzt werden. Eine Erkenntnis nehmen aber alle, Künstlerinnen, Lehrkräfte und Schüler jetzt schon mit: Nur, wer sich äußern kann und gehört wird, kann lernen, dass seine Stimme zählt. Und wessen Stimme gehört wird, der lernt auch, anderen zuzuhören. Mobbing und Gewalt werden sichtbar und können verhindert werden. So waren die Zuschauer beim Auftritt von Ella Burkhardt sehr berührt, die ganz persönlich in einem Slamtext von ihren Erfahrungen mit Diskriminierung erzählte: „Jeder Fremde hat auch eine Story zu erzählen“. Hören wir zu.

Jana Kemcke
Jana Kemcke

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