Kreise dürfen Schülerinnen und Schülern die Schulbegleitung nicht mit der Begründung verwehren, eigentlich sei das Land zuständig. Das ergibt sich aus einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 19. August 2016. Im vorliegenden Fall waren sich alle Beteiligten einig, dass das betroffene Kind besonderer Hilfe bedurfte, trotzdem genehmigte der Kreis Herzogtum Lauenburg keine Schulbegleitung und verwies an das Land. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion: „Vereinfacht gesagt hat das Gericht entschieden: Wenn Kreis und Land sich streiten, darf das nicht auf dem Rücken der betroffenen Kinder und ihrer Eltern passieren. Die Kreise müssen Schulbegleitung bewilligen, wenn sie fachlich geboten ist.“ Das sei eine gute Nachricht für alle betroffenen Eltern kurz vor dem Ende der Sommerferien.
Das Recht auf Schulbegleitung ergibt sich aus dem Sozialgesetzbüchern VIII und XII, also aus Bundesrecht. Der Konflikt zwischen dem Land und einigen Kreisen ergibt sich aus einer Formulierung des Schulgesetzes, also Landesrecht. Dort heißt es in §4 (13): „Schülerinnen und Schüler mit Behinderung sind besonders zu unterstützen. Das Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.“ Das Landessozialgericht hatte deshalb geurteilt, die Schulen seien für alles zuständig, was im „pädagogischen Kernbereich“ liege, diesen Kernbereich aber nicht weiter definiert. Habersaat: „Wenn man, wie einige Kreisverwaltungsmitarbeiter, alles dazu zählt, was auf dem Schulgelände stattfindet, gäbe es ab dem Schultor keine Schulbegleitung mehr. Man könnte aber auch die Tätigkeiten von Lehrerinnen und Lehrern als pädagogischen Kernbereich definieren, dann gäbe es durchaus noch Bedarf an Schulbegleitung.“ Außerdem glaube er nicht, dass ein bundesrechtlicher Anspruch durch ein Landesgesetz zu beeinflussen sei.
Mit dem neuen Urteil ist die Auseinandersetzung um den sogenannten Nachrang der Jugendhilfe und den Vorrang des öffentlichen Schulwesens nicht abgeschlossen. Die Kreise dürfen sie aber nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts nicht mehr zu Lasten der Hilfesuchenden führen. Habersaat: „Das Land und die Kreise sollen sich verständigen. Ich hoffe, das gelingt, zumal es in den vergangenen Jahren schon viel Bewegung gab. Noch 2012 zu Zeiten der CDU/FDP-Regierung hat das Land sich überhaupt nicht an der Schulbegleitung beteiligt. Inzwischen übernimmt es durch eine Neuordnung der Eingliederungshilfe im Bereich des SGB XII knapp 80 Prozent und beteiligt sich darüber hinaus an den Kosten, die für Schulbegleitung nach SGB VIII und SGB XII ab der Sekundarstufe I entstehen.“ Außerdem seien für die Grundschulen neue Schulassistenzen geschaffen worden, „die jedoch nach meiner Auffassung nicht das Recht auf Schulbegleitung tangieren“, so der Abgeordnete, der bis 2009 selbst als Lehrer gearbeitet hat.
Zuletzt hatte es besonders in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn Streit um die Schulbegleitung gegeben. Beide Kreise hatten sogar solchen Kindern eine Schulbegleitung verweigert, die Unterstützung zum Toilettengang brauchten. Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, hatte deshalb die Befürchtung geäußert, es könne „Zurück zur Windel“ gehen in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn.