Wer bezahlt die neuen Räume?
Schleswig-Holstein war 2007 das letzte Bundesland, in dem auf Drängen der CDU die Umstellung auf ein Abitur nach acht Jahren am Gymnasium beschlossen wurde. 2016 verließen die ersten G8-Abiturienten die Gymnasien. Bei der Landtagswahl 2017 setzte sich die CDU nach einem plötzlichen Kurswechsel mit ihrer Forderung durch, an den Gymnasien zu G9 zurückzukehren. Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, hatte für Schulfrieden und das Einhalten der Ergebnisse des Bildungsdialogs 2012 geworben. Nun appelliert er an die neue Landesregierung, Schulen und Schulträger bei den anstehenden Umbrüchen nicht allein zu lassen.
„Wenn das Land von oben entscheidet, dass alle Gymnasien zu G9 zurückkehren müssen, wird das an allen Gymnasien zusätzlichen Raumbedarf auslösen. Hier greift das Konnexitätsprinzip: Das Land muss für die Kosten geradestehen, die es den Kommunen verursacht.“ Zwar seien seit 2007 in den seltensten Fällen Räume abgerissen worden. In den vergangenen Jahren hätten sich die Schülerzahlen an den Gymnasien im Land aber so entwickelt, dass ein zusätzlicher Jahrgang nur mit neuen Klassen- und Fachräumen zu bewältigen sei. Zudem werden nach Ansicht des Abgeordneten, selbst ehemaliger Gymnasiallehrer, mehr Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs auf die Gymnasien strömen, wenn die Unterscheidung „G8 an Gymnasien und G9 an Gemeinschaftsschulen“ nicht mehr gegeben sei. Habersaat: „Die Sachsenwaldschule Reinbek und das Gymnasium Wentorf gehören jetzt schon zu den größten des Landes und brauchen dringend neue Räume. In Glinde könnte eine Änderung der Schülerströme in Richtung eines G9-Gymansiums neue Varianten in der Debatte um Schulfusionen und Standorte nötig machen.“
Nach Ankündigung der Bildungsministerin werden die Gymnasien Anfang 2018 die Möglichkeit bekommen, sich mit 3/4-Mehrheit für einen Verbleib bei G8 zu entscheiden. Andernfalls sollen sie zu G9-Gymnasien werden. „So eine Entscheidung wird nicht ohne gesetzliche Grundlage gehen“, sagt Habersaat. Er zeigt sich erstaunt, dass CDU, FDP und Grüne bisher noch keinen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht haben. „Ich gehe davon aus, dass die Regierungskoalition mit den Beteiligten über notwendige Schritte und Fristen ins Gespräch kommen will.“ Vielleicht werde dann auch das 3/4-Quorum noch einmal thematisiert. Habersaat: „Es ist eine absurd hohe Hürde. Eine Verfassung kann mit 2/3 der Stimmen geändert werden.“ Sein Vorschlag? „Dreimal 51 Prozent der Stimmen der Eltern, Lehrer und Schüler kämen dem Demokratieprinzip, wie ich es mir vorstelle, näher.“ Auch andere Fragen seien offen: Müssen beispielsweise alle Schulen gleichzeitig abstimmen oder kann eine Schule erst abwarten, was die Nachbarn tun? Geht auch ein Wechsel zum Y-Modell, also G8 und G9 unter einem Dach?
Konnexitätsprinzip: Das Konnexitätsprinzip (Kostenausgleichsgrundsatz) der schleswig-holsteinischen Landesverfassung verpflichtet das Land bereits seit 1998, Bestimmungen zu treffen, wie die Kosten von Kommunen zu decken sind, die bestimmte öffentliche Aufgaben für das Land erfüllen. In Artikel 57 (2) der Landesverfassung heißt es: „Werden die Gemeinden oder Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.“
G8 / G9: Eine Bestandsaufnahme: http://www.martinhabersaat.de/themen/bildung/abitur-nach-acht-oder-neun-jahren-eine-bestandsaufnahme/