Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Bargteheide aus?
Der Veranstaltungsraum der Haspa Filiale an der Rathausstraße war gut gefüllt. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Bargteheide@2030“ informierte Carsten Rüscher gestern Abend gemeinsam mit der Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht über die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Leben in Bargteheide.
„Wer sich nur vorbereitet, hat schon verloren“, sagt Carsten Rüscher gleich zu Beginn. „Wer nicht untergehen will, muss aktiv mitgestalten.“ Er muss es wissen. Der gelernte Bankkaufmann begeitet seine Kunden seit 20 Jahren als Projektmanager durch verschiedene Projekte, unter anderem bei der Entwicklung von Digitalisierungskonzepten.

Entscheidend ist der richtige Umgang mit Veränderungen
„Zunächst einmal hat die Digitalisierung natürlich Auswirkungen auf die Bargteheider Firmen. Diese werden aufgrund der heterogenen Mischung der Unternehmen vor Ort unterschiedlich stark ausfallen“, sagt der Geschäftsführer der CR-Projectconsulting GmbH. Veränderungen bestehender Märkte habe es immer gegeben, so Rüscher. Erfindungen wie die des Autos, des Telefons oder des Computers haben stets für Verdrängungen bestehender Strukturen sowie das Entstehen neuer Märkte gesorgt. Entscheidend sei, wie die Betroffenen damit umgehen.
Erwartungen der Verbraucher steigen
Welche Ideen und Antworten haben Unternehmen? Und welche die Politik? In einer lebhaften Diskussion der Teilnehmenden am „Nachbarkeitstisch“ wird klar: Mit der digitalen Transformation verändert sich auch die Erwartungshaltung der Verbraucher. Längst ersetzen Onlineversandhäuser die klassischen Versandkataloge. Warteten Kunden noch vor wenigen Jahren noch selbstverständlich bis zu zwei Wochen auf im Katalog bestellte Waren, so sind Lieferungen innerhalb von 24 Stunden heute Standard. Der ständig steigenden Erwartungen bezüglich der Verfügbarkeit und Lieferung von Waren müssen die Firmen gerecht werden.
Die Befürchtung, die Digitalisierung koste Arbeitsplätze hält Carsten Rüscher trotz Automatisierung für unbegründet. So gab es in Deutschland im Jahr 2007 40,3 Millionen Beschäftigte, 2018 waren es 44,2 Millionen. Ein deutlicher Anstieg der Erwerbstätigen also. „Digitalisierung nimmt nicht nur Arbeitsplätze, sie schafft auch neue Berufe, denn irgendjemand muss die neue Hard- und Software ja auch einrichten und betreuen“, so Rüscher.
Digitalisierung auch in der Verwaltung
Birte Kruse-Gobrecht betont besonders die Notwendigkeit des politischen Willens zur Veränderung. „Es braucht vor allem Pioniergeist“, sagt die Verwaltungschefin. „Bekanntes darf auch mal in Frage gestellt werden.“ Statt dem Fortschritt nur mit Skepsis und Angst zu begegnen, könne man die Digitalisierung vor allem als Chance begreifen. Auch in der Verwaltung sind Arbeitsabläufe und Prozesse durch stätige Weiterentwicklung zu beschleunigen und vereinfachen. Es sei allerdings nötig, dass die Politik sich der Auswirkungen der rechtlichen Vorgaben bewusst wird und die richtigen Weichen für die Zukunft stellt. „Wer nicht mit der Zeit geht, hat wenig Chance zu bestehen. Bis Ende 2022 wollen wir alle 575 Verwaltungsdienste auch digital anbieten“, merkt die Bürgermeisterin an und gibt zu Bedenken, dass diese Mammutaufgabe nur mit vereinten Kräften zu bewältigen sei. „Noch sehen nicht alle Beteiligten die Notwendigkeit zur Veränderung. Es gibt schon noch ein paar Bedenkenträger. Hier ist von unserer Seite noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, die wir unter anderem in Form von Informationen und Schulungen angehen werden.“
Besonders für Bargteheides Bürger werde sich die Digitalisierung aber positiv auswirken. Neben dem Bürgerportal und der digitalen Bereitstellung von Informationen könne künftig über Online-Plattformen die Bürgerbeteiligung, z.B. beim Stadtdialog Bahnhofsumfeld, vereinfacht werden.
Schulen sollten Kinder vorbereiten
Auf die dringend notwendige Sensibilisierung bereits von Kindern im Grundschulalter wies die Schulleiterin der Emil-Nolde-Schule Andrea Aust hin. „Als Direktorin einer Medienschule bin ich mir der Verantwortung bewusst. Aufhalten können wir die digitale Entwicklung aber nicht“, sagt die engagierte Lehrerin und verweist auf aktuelle Studien: „65 % meiner Schüler werden nach Abschluss ihrer Ausbildung in Berufen arbeiten, die es heute in der Form noch gar nicht gibt. Von den Arbeitsplätzen der Zukunft haben wir heute noch keinerlei Vorstellung. Daher ist es wichtig, den Kindern den Umgang mit der digitalen Welt früh zu vermitteln, ohne jedoch zu versäumen, auf die Gefahren hinzuweisen.“

Sorgen und kritische Fragen kamen dann auch im weiteren Verlauf des Abends auf. Schnell war man beim Thema Datenschutz. Auf Gefahren und Missbrauch wurde hingewiesen. Onlinedienste seien in der Lage, das Kaufverhalten der Nutzer zu manipulieren, indem sie über Daten Zielgruppen definieren und passgenaue Werbung einsetzen können, so Andrea Aust. Ebenso könnten Regime sensible Daten zu ihren Zwecken missbrauchen.
Einig war man sich darin, dass letztlich der Verbraucher über Erfolg und Misserfolg von neuen, innovativen Produkten entscheidet. Damit hat der Einzelne auch Macht über einzelne Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon.
Haspa Filialleiter Sven Lüth zeigte sich im Anschluss zufrieden mit der Veranstaltung. „Auch mir hat der Abend an der einen oder anderen Stelle die Augen geöffnet“, gibt Lüth zu.“ Denn Digitalisierung macht vor Banken natürlich nicht halt. Online Banking ist da nur ein Anfang. Auch Beratertätigkeiten könnten in Zukunft von Algorithmen übernommen werden.“
Wir meinen: Ob wir wollen, dass eine Maschine uns sagt, wie hoffnungslos verschuldet wir sind, können wir am Ende zum Glück doch noch selbst entscheiden.