Bargteheide – 4. Mai 1945: Mit einer weißen Fahne geht eine Bargteheider Delegation in Richtung Hammoor. Sie treffen auf die vorrückenden britischen Soldaten, die aus Hamburg kommen. Das war das Ende der Naziherrschaft im damaligen Dorf, das damals etwa 3000 Einwohner und etwa 4000 Flüchtlinge zählte.
Was bedeutete das Ende des Kriegs für die Bewohner Bargteheides, für die Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen, die Flüchtlinge und die Nazis? Damit hat sich die Geschichtswerkstatt in Bargteheide beschäftigt und geht jetzt in die zweite Runde. „Wir haben uns diesmal auf einen kürzeren Zeitraum konzentriert, auf die Jahre 1945 bis 1947“, sagt Dr. Ruth Kastner. Die Veranstaltung soll am 9. Mai ab 18 Uhr im Kleinen Theater organisiert werden, auch neue Zeitzeugen werden dort zu Wort kommen.
Ein Zeitzeuge ist Dieter Carstens, der als Siebenjähriger den Einmarsch der britischen Truppen miterlebt hat. Er hatte schon 1942 einen Bombenangriff auf sein Wohnhaus verletzt überlebt, bei dem das Hinterhaus einstürzte. Am 4. Mai marschierte ein schottisches Bataillon, (8. Bataillon der Royal Scots) in Bargteheide ein. Am folgenden Tag gab es eine Siegesparade mit Dudelsackmusik.
Der damalige NSDAP-Kreisleiter vergiftete am 5. Mai 1945 seine Frau und seine vier Töchter, bevor er sich erhängte.
„Ein Panzer bezog Stellung neben unserem Haus, ich hatte große Angst“, erinnert sich Carstens. Die Soldaten plünderten zunächst den Hühnerstall und brieten sich dann im Haus Spiegeleier. Im Geschäft von Lene Schottke im Gebäude erhielten sie dann Zigarren. Der Frisörladen seines Vaters wurde in der Nachkriegszeit zum Umschlagplatz für den Schwarzhandel.
Die Soldaten requirierten auch das Haus als Quartier für sich, in dem Carstens damals wohnte: „Wir hatten nur zehn Minuten Zeit, um unsere Wohnung zu verlassen.“ Die Familie erhielt dann eine Unterkunft auf einem Bauernhof. Die Briten bezogen schließlich Quartier im Malepartus-Gebäude.
„Man muss sich immer die Frage stellen, wie man sich damals verhalten hätte“, sagt Carstens. „Wir wollen das Geschehen wertfrei und so sachlich wie möglich darstellen“, erklärt Birgit Schröder von der Geschichtswerkstatt. Ob Namen der damals Beteiligten genannt werden, bleibe den Jugendlichen in der Gruppe überlassen.
Für die Jugendlichen ist ein Moment besonders wichtig. Jonas Bewig: „Die Wunden, die die Diktatur, der Krieg und die Vernichtung hinterlassen haben, spüren wir bis heute. Sie sollten uns Warnung sein, dass sich so etwas niemals wiederholen darf.“
Wieder befragen Jugendliche Bargteheider Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die damals selbst noch Kinder bzw. Jugendliche waren. Mit dabei – wie schon beim ersten Mal – sind Klaus Andresen und Luise Hemsen. Neu auf die Bühne kommen Gerda Eggers, Dieter Carstens, Detlef Höppner. Per Video werden Elke Leidner und Jürgen Nüske (der Sohn des damaligen Amtsverwalters Walter Nüske) berichten.
Es werden neben den Interviews auch Passagen aus Dokumenten vorgetragen: darunter ein Militärtagebuch, die Aufzeichnungen eines KZ-Häftlings, die Entschädigungsakte der jüdischen Familie Pincus Kohn, das Sterberegister, das den Mord und Selbstmord in der Familie eines NS-Offiziers dokumentiert.
Dramaturgisch unterstützt wird die Geschichtswerkstatt von Kai Fischer, Regisseur und Theaterpädagoge. Norbert Ohl vom Vorstand des Kleinen Theaters wird wieder moderieren. Der Eintritt ist kostenlos. Gefördert wird die Veranstaltung von „Partnerschaft für Demokratie“.