Französisch-deutsches Theaterprojekt am KGB

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Die Schülerinnen und Schüler des Lycée Roland Garros (LRG) in Le Tampon, La Réunion verließen am Samstag (27.05.23) Bargteheide mit Koffern voller Erinnerungen an ein ganz besonderes Projekt: Eigentlich sollte die Entstehung des gemeinsamen deutsch-französischen Theaterstücks „2x Lotte“ im Mittelpunkt der Begegnung mit der Klasse 9c des Kopernikus Gymnasiums (KGB) stehen. Am Ende aber war es so viel mehr.


Nach fast einjähriger, virtueller Vorbereitungsphase im Unterricht trafen die 23 französischen und 19 deutschen Jugendlichen am 13. Mai zum ersten Mal wirklich aufeinander.
Möglich gemacht wurde das Projekt durch die große finanzielle Unterstützung des europäischen Erasmus+-Programms auf französischer sowie des Deutsch-Französischen Jugendwerks auf deutscher Seite. Letzteres vergibt in diesem Jahr anlässlich des 60. Geburtstages des Elysée-Vertrags zwischen Frankreich und Deutschland eine besondere Förderung für herausragende Projekte. „2x Lotte“ hatte das Glück, ein solches „IN-Projekt“ zu werden.
„Eigentlich war es nur eine vage Idee, die bei einem Jobshadowing des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst für LehrerInnen) im April 2022 auf La Réunion zusammen mit meiner dortigen Kollegin Anne Riehm entstanden ist. Dass es zu so einem großen und großartigen Projekt werden würde, hätten wir am Anfang nicht für möglich gehalten,“ erzählt Kathrin Anders, Französischlehrerin der deutschen Gruppe.
Aus der vagen Idee formten sich schnell konkrete Überlegungen. „Das Theaterstück haben wir gemeinsam geschrieben – quasi über Ozeane hinweg. Das Grundgerüst ist von Erich Kästner, das Endprodukt erzählt aber vor allem unsere eigene Geschichte: Die Begegnung von Jugendlichen aus La Réunion und Deutschland, die gegenseitig ihre Sprache und Kultur entdecken und Brücken zwischen beiden Welten schlagen“, erklärt die Deutschlehrerin Anne Riehm, die selbst vor mehr als 20 Jahren auf die französische Überseeinsel ausgewandert ist.
Zunächst hatten die Jugendlichen bei einer Drittortbegegnung in Berlin (vom 14.-20. Mai) die Gelegenheit, sich näher kennenzulernen. Auf der Gäste-Etage der Fabrik im Stadtteil Wedding ging es ans Eingemachte: Rollen wurden verteilt, Texte gekürzt, verändert und einstudiert, Musik wurde ausgesucht und Tänze choreographiert. An den Vormittagen arbeitete eine Schülergruppe mit der Tanzpädagogin Christiane Mühlhausen an der Inszenierung des Tausches der beiden Zwillinge Lotte und Louise – frei interpretiert nach Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“.
Der andere Teil der Schülerinnen und Schüler vertiefte sich mit Theaterpädagogin Jana Schwennesen in die Szenen, die im Grunde genommen auch die Geschichte der Drittortbegegnung zwischen LRG und KGB erzählten. Fiktives und Reelles vermischten sich.
Hinzu kam die multimediale Ebene: Fotos für die Aufführung wurden mit den Nachwuchsschauspielerinnen aufgenommen, Filme gedreht und das Projekt vom Technik-Team um Eva Wolle, Medienpädagogin aus La Réunion, dokumentiert.

Ein Besuch des Deutsch-Französischen Jugendwerks in Berlin bildete einen der Höhepunkte des Programms. Die Schülerinnen und Schüler wurden dort von der stellvertretenden Referatsleiterin Agnès Pruvost persönlich begrüßt und erfuhren bei Croissants und pain au chocolat mehr über mögliche Austauschprogramme, wie zum Beispiel das dreimonatige Brigitte-Sauzay- und das sechsmonatige Voltaire-Programm.


Gleichzeitig wuchsen die Jugendlichen von Tag zu Tag mehr zu einem Team zusammen. Sprachliche, kulturelle und kulinarische Hürden wurden über Bord geworfen und die Tatsache, dass sie eigentlich 11.000 Kilometer voneinander entfernt wohnen, war schnell zur Nebensache geworden.
Intensiviert wurden die bereits nach einer Woche entstandenen Freundschaften dann in Bargteheide. In Gastfamilien hatten die Franzosen vom 20.-27. Mai die Gelegenheit, den Alltag der Deutschen hautnah mitzuerleben und auch die Eltern und Geschwister ihrer Austauschpartnerinnen und -partner kennenzulernen.
Neben Ausflügen nach Hamburg und Lübeck standen nachmittags verstärkt die Proben des Stückes „2x Lotte“ in der Kuhle des KGB im Mittelpunkt. Spannung und Aufregung wurden von Tag zu Tag größer und gipfelten am Vorabend der Uraufführungen bei einer Generalprobe, die noch eklatante Lücken bei Texten, Szenenwechseln und Technik entlarvte. „Wahrscheinlich hat in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag keiner ein Auge zugetan und stattdessen noch mit dem Austauschschüler den Text und das Schauspiel geprobt“, so Hannah Nuske, Sprachassistentin am LRG, die mit ihrer theaterpädagogischen Erfahrung unter anderem für die Aufwärmphasen und Motivation der Schülerinnen und Schüler während der Proben zuständig war.
Jedenfalls verliefen alle drei Aufführungen am Donnerstag, den 25. Mai in der Kuhle des Kopernikus Gymnasiums fast reibungslos. Zu den beiden Schulaufführungen am Vormittag begrüßte das KGB nicht nur eigene Schulklassen. Auch Gäste vom Gymnasium Eckhorst sowie der Anne-Frank-Schule waren zahlreich erschienen. Den Höhepunkt für Nachwuchschauspielerinnen und -schauspieler stellte aber sicherlich die Abendvorstellung für ihre Familien und Freunde dar. Endlich konnten sie ihren (Gast-)Eltern zeigen, was sie innerhalb des Schuljahres, aber insbesondere innerhalb der vorangegangenen zehn Tage zusammen auf die Beine gestellt hatten.
Eine hervorragende Leistung, die nicht nur die Geschichte von Louise und Lotte erzählt, sondern auch ihre eigene: Die einer erfolgreichen deutsch-französischen Begegnung, die – wie sich am Ende herausstellte – einige Gegenbesuche zur Folge haben wird. In den Sommerferien wollen ein paar Neuntklässler sich in den Flieger nach Saint-Denis setzen und ihre neuen Freunde auf der Insel besuchen. Eine französische Schülerin bleibt direkt im Anschluss für weitere anderthalb Monate bei ihrer Bargteheider Gastfamilie. Der Gegenbesuch ihrer deutschen Austauschpartnerin wird über das Brigitte-Sauzay-Programm im November erfolgen. Weitere deutsche Schülerinnen planen bereits jetzt, ihren Urlaub in den nächsten Osterferien auf La Réunion zu verbringen.
Pressemitteilung
Eigentlich ging es also gar nicht so sehr um das Theaterstück an sich oder darum, wer eigentlich Louise oder wer Lotte ist. Eigentlich ging es um das, was bereits davor entstanden ist: Freundschaften, Verständnis für die jeweils andere Kultur und Sprache und die
Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und ein Team zu werden. Es gibt sie also immer noch und sie ist lebendiger denn je: die deutsch-französische Freundschaft, die in diesem Jahr stolze 60 Jahre alt wird.
Das Stück „2xLotte“
Angelehnt an das „Doppelte Lottchen“ von Erich Kästner lebt die eher brave Lotte bei ihrer französischen Mutter in Bargteheide und die eher wilde Louise bei ihrem Vater, der zwar Deutscher, aber vor langer Zeit mit seiner Tochter nach La Réunion ausgewandert ist. Zuhause spricht Lotte daher Französisch, während Louise mit ihrem Vater Deutsch spricht.
Bei einer Drittortbegegnung in Berlin, einem Theater- und Tanzworkshop, lernen sich die beiden Mädchen kennen und stellen erstaunt fest, dass sie Zwillinge sind. Sie fassen einen aufregenden Plan: Nach der deutsch-französischen Woche in Berlin wird Lotte als Louise zu ihrem Vater nach La Réunion fliegen, während Louise zur Mutter nach Bargteheide reist. Wie finden sich die Mädchen in den unterschiedlichen Kulturen zurecht? Und lässt sich der Tausch bei der großen Entfernung überhaupt rückgängig machen?
Wie es ausgeht, darf das Publikum entscheiden.

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