Deutschlands erste Draußenschule feiert 15-Jähriges Jubiläum

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Jede Woche vormittags das Schulgebäude als gesamte Klasse verlassen. Statt Tafel, Heft und Arbeitsblätter, dann Bäume, Matsch und Vogelgezwitscher für Alle. Welches Kind träumt nicht davon? Das dies durchaus auch im Regelunterricht möglich ist, zeigen seit 2008 immer mehr Schulen in der Metropolregion Hamburg, sowie im Kreis Stormarn, die dort mit dem Konzept der Draußenschule das Lernen nach draußen verlegen.


Das Bildungsministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche UNESCO-Kommission haben dem Draußenschul-Konzept die „Nationale Auszeichnung Bildung für nachhaltige Entwicklung“ verliehen. Spätestens mit dieser Würdigung wird deutlich, dass es beim Draußenlernen zwar auch, aber darüber hinaus um sehr viel mehr geht, als um bloßes „Bäume umarmen“: Mit der Draußenschule wird BNE im Unterricht konkret:
Das sieht auch Caren Westermann, Landeskoordinatorin für BNE im Ministerium für Bildung des Landes Schleswig-Holstein so, die zum heutigen Festakt in Bargfeld-Stegen neben einem jungen Apfelbäumchens eigens Glückwünsche aus dem Ministerium in Kiel überbrachte: „BNE wird durch die drei folgenden Kompetenzen „erkennen“, „bewerten“ und „handeln“ bei der Draußenschule sichtbar“, ist Westermann überzeugt.
Und Dr. Gordon Dzemski, im Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) der Koordinator der Initiative Zukunftsschule beglückwünscht in einem Grußwort an Johannes Plotzki, dem Initiator der Draußenschule: „Die Initiative Zukunftsschule möchte Dir für deine Energie danken, die du in den letzten 15 Jahren aufgewendet hast, um Nachhaltigkeit in Kita und Schule zu verankern und dich nicht von dem Weg hast abbringen lassen.“

„Eigentlich waren es die Kinder selbst, die den Grundstein für die Draußenschule gelegt haben“, erinnert sich Johannes Plotzki schmunzelnd zurück an die Anfänge im Sommer 2008. Damals hatte der frisch gebackene Naturpädagoge die Klasse 1c an der Bargfeld-Stegener Grundschule „Alte Alster“ zum Lernen und Naturerleben nach draußen geführt. Schon kurze Zeit nach diesem als einmaligen Ausflug gedachten Vormittag an den Resten von Burg Stegen und Alte-Alster-Kanal, stellten nämlich Kinder dieser Klasse die weichenstellende Frage: „Und wann machen wir das noch einmal?“.
Die ehemals Bargfelder Lehrerin Kiene Bertram und Johannes Plotzki mussten nicht lange überlegen und verlegten von nun an jede Woche den Unterricht nach draußen. Ein Name dafür war schnell gefunden: Draußenschule. Die Geburtsstunde dieser Unterrichtsmethode, zugleich das Betreten völligen Neulands in der Schullandschaft Deutschlands liegt nun 15 Jahre zurück.

Rückendeckung gab es ohne Zögern von der Rektorin Renate Hinrichs, die von Beginn an dieser innovativen Unterrichtsmethode einen großen Vertrauensvorschuss entgegenbrachte und deren Potential erkannte. Nun, längst im wohlverdienten Ruhestand, kehrt Hinrichs noch einmal an ihre alte Schule zurück. Der Grund: Heute fanden genau an dieser Stormarner Grundschule in Bargfeld-Stegen die Feierlichkeiten zum 15-Jährigen Bestehen der Draußenschule statt.

Was vor 15 Jahren an einer einzigen Dorfschule im Kreis Stormarn begann, hat seitdem weite Kreise gezogen. Die damalige Entstehung der ersten Draußenschule in Deutschland war kein Ergebnis eines jahrelangen Aushandlungsprozesses mit Gremien, Behörden und Stake-Holdern, sondern entstand aus dem einfachen Wunsch an dieser Schule heraus, erstens Kinder an authentische Lernorte, an Natur- und Kulturphänomene auch im Rahmen ihres Vormittagsunterrichtes heranzuführen und zweitens Lernende (und Lehrende) in Bewegung zu bringen. Und das fest verankert im Stundenplan als Teil der Unterrichtsarbeit, wöchentlich und das gesamte Jahr hindurch.

Dass durch diese ersten Schritte ins regelmäßige Lernen draußen, eine derartige Bewegung ausgelöst wird, war nicht absehbar. In den zurückliegenden 15 Jahren haben viele weitere Schulen ebenfalls den Weg nach draußen, hinein in die Lebenswelt der Lernenden gefunden. Die so von der Schulgemeinschaft selbst initiierte Öffnung von Schule und Unterricht verändert das Bildungsverständnis dieser Schulen nachhaltig und verhilft im Sinne des „Whole Institution Approach“ zu einem ganzheitlichen Ansatz von Schulentwicklung. So wie in Bargfeld-Stegen, wo die Eltern aller einzuschulenden Kinder seit vielen Jahren sicher davon ausgehen können, dass Ihre Sprösslinge für ein Jahr Unterricht draußen machen werden. „Nicht nur die Kinder erfahren in der Draußenschule mit allen Sinnen mehr über die Natur, auch die Lehrkräfte lernen noch so viel Neues dazu. Allen wird bewusst, wie wichtig es ist, seine eigene Umwelt zu schützen, indem man sowohl die kleinen als auch die großen Zusammenhänge draußen entdeckt“, ist Nina Klemme, heutige Schulleiterin der Grundschule Alte Alster überzeugt.

In der Metropolregion Hamburg konnten seit der Gründung im Jahr 2008 bisher rund 30.000 Schülerinnen und Schüler aus 1200 Klassen von 30 Schulen an der „Draußenschule“ teilnehmen. Dabei wird das der Unterricht draußen stets an das jeweilige räumliche und soziale Umfeld der einzelnen Schulen ausgerichtet. Die eine Schule in der Stadt hat einen Park oder Grünzug in der Nähe, die andere liegt dörflich und ist umgeben von Wäldern, Mooren und Wiesen. Bei der einen liegt ein Pachtgarten in der Nähe oder verfügt sogar über einen Schulgarten, die andere Schule stellt Pflanzkübel auf.
Die Finanzierung erfolgt durch eine Vielzahl von Stiftungen, u.a. der Friedrich Wilhelm-Raiffeisen-Stiftung, sowie durch den DraußenschulFONDS. Dieser wurde 2019 gegründet und ist ein Fördertopf für das Projekt Draußenschule an Grundschulen in Hamburg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg. Es handelt sich hierbei um ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Stiftungen. Der DraußenschulFONDS wurde von der Buhck-Stiftung initiiert und wird von ihr verwaltet. Der Gemeinschaftsfonds hat den Zweck, Draußenschulprojekte finanziell zu unterstützen und die Hürde einer Beantragung von Mitteln zu senken. „Wir sind begeistert, dass wir gemeinsam seit 2019 über 550.000 € Fördermittel für die Draußenschule zur Verfügung stellen konnten. In diesem Jahr alleine sind es schon 72 Schulklassen, die am Unterricht teilzunehmen können.“, so Bianca Buhck vom Vorstand der Buhck-Stiftung.

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