Allianz für Integration

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Land, Bund, Kommunen und Gewerkschaften wollen dieses Jahr bis zu 2000 Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung bringen – in Reinbek gibt es solche Bemühungen schon länger

Um einen Teil der derzeit rund 35.000 Flüchtlinge in Schleswig-Holstein rasch in Ausbildung oder Arbeit zu bringen, startet im Juni ein zweistufiges Pilotprojekt, das bis zu 2.000 Frauen und Männer auf eine Einstiegsqualifizierung, eine Berufsausbildung oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorbereiten soll: Das vom Land und der Bundesagentur für Arbeit aufgesetzte und gemeinsam finanzierte Programm BÜFAA.SH (Begleiteter Übergang für Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung) wurde am 11. Februar auch von Vertretern der Wirtschaft, der Kommunen und den Gewerkschaften unterzeichnet. Damit verpflichten sich die Partner zugleich, unter anderem mindestens 1.200 Jobs oder Ausbildungsplätze für erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen des Programms bereit zu stellen.

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Von links sitzend: Michael-Thomas Fröhlich (UV-Nord), Minister Reinhard Meyer, Margit Haupt-Koopmann (BA), Claus Heller (Landwirtschaftskammer); stehend: Heiko Gröpler (DGB), Jörg Orlemann (IHK), Dr. Johannes Reimann (Landkreistag), Jörg Bülow (Gemeindetag), Jochen von Allwörden (Städteverband), Jörn Arp (Handwerkskammer)

Martin Habersaat, Landtagsabgeordneter aus Reinbek und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion: „Das ist ein breiter Schulterschluss für eine wichtige Aufgabe und eine gute Ergänzung zu vorhandenen regionalen Projekten.“ Beispielsweise gebe es in Reinbek bereits die Erfassung der Ausbildungen und Fähigkeiten von Flüchtlingen und eine Jobbörse für Asylbewerber. Geleistet wird die Erfassung von zwei Minijob-Kräften, die aus Spenden finanziert werden. 100 Menschen konnten in Reinbek 2015 so erfasst werden. 25 Gewerbetreibende kamen jüngst im Rickertsen-Haus zusammen, um sich über Beschäftigungsmodelle und Regeln bei der Beschäftigung von Flüchtlingen zu informieren. Unterstützt wird die Stadt von der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter und der Ausländerbehörde.

Arbeitsminister Reinhard Meyer sagte bei der Unterzeichnung der landesweiten Initiative: „Wir wollen mit diesem Programm in diesem Jahr dazu beitragen, dass Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Ich freue mich über die breite Unterstützung, die wir für unser Programm erfahren. Das Programm kann nur ein Erfolg werden, wenn sich alle nach Kräften einbringen.“ In der ersten Förderrunde 2016 stellen Bundesagentur und Land dafür zunächst rund sechs Millionen Euro bereit. Wie Meyer weiter sagte, solle BÜFAA.SH flächendeckend in Schleswig-Holstein angeboten werden. Die dafür nötige Förderrichtlinie mit der Aufforderung an Träger, sich zu beteiligen, werde voraussichtlich noch im März veröffentlicht. Zielgruppe sind Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive – derzeit vor allem Menschen aus Eritrea, Irak, Iran und Syrien – sowie so genannte „Geduldete mit Arbeitsmarktzugang“ und Asylberechtigte oder anerkannte Flüchtlinge, sofern sie die Schulpflicht erfüllt haben.

Integration von Flüchtlingskindern ins Schulsystem

Martin Habersaat über aktuelle Herausforderungen und Konzepte

Seit 2002 wurden in Schleswig-Holstein schrittweise DaZ-Zentren eingerichtet (DaZ = Deutsch als Zweitsprache), um Schülerinnen und Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse gezielt zu fördern. Betraf das im Schuljahr 2013/2014 noch etwa 1.700 Schülerinnen und Schüler, so stieg ihre Zahl bis Dezember 2015 auf über 5.000. Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Landtagsabgeordneter aus Reinbek, gibt einen Überblick über aktuelle Herausforderungen und Konzepte. Er sagt: „Im Interesse gelingender Integration müssen junge Menschen so schnell wie möglich an unsere Sprache und an unser Schulsystem herangeführt werden. Glücklicherweise konnte Schleswig-Holstein hier auf bewährte Strukturen zurückgreifen, die jedoch massiv aufgestockt werden mussten und weiter müssen.“

In Schleswig-Holstein gilt für alle Flüchtlingskinder vom ersten Tag an die Schulpflicht. Für Sechs- bis Sechzehnjährige besteht die Pflicht zum Besuch einer allgemeinbildenden Schule, Sechzehn- bis Achtzehnjährige werden an berufsbildenden Schulen beschult. Bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es DaZ-Vorkurse, auch den Eltern wird hier das deutsche Schulsystem und das Konzept der DaZ-Zentren vorgestellt. Eine besondere Herausforderung ist das breite Spektrum der Kinder und Jugendlichen: Einige haben noch nie eine Schule besucht, vielen ist die lateinische Schrift fremd. Andere sind in der englischen Sprache bereits weiter als ihre deutschen Altersgenossen.

In den regionalen DaZ-Zentren wird zunächst in der Regel ein Jahr lang die Basisstufe besucht. Hier geht es um das Erlernen der deutschen Sprache, aber auch um das Lernen in der deutschen Sprache, das Schulsystem, den Schulalltag, die Arbeits- und Sozialformen sowie die unterschiedlichen Medien und Materialien. Die Unterrichtsmaterialien sind landesweit einheitlich und wurden zur Entlastung der Schulträger vom Land angeschafft. Die Steuerung vor Ort obliegt den Schulämtern, sie erweitern vorhandene Strukturen bei Bedarf um neue Klassen oder auch neue Standorte. „Diese Form der verdichteten Sprachbildung hat sich als zielführender erwiesen als die sofortige Verteilung dieser Schülerinnen und Schüler auf alle Schulen“, berichtet Habersaat. Diese Verteilung erfolgt erst nach der Basisstufe.

Es folgt der Wechsel in die DaZ-Aufbaustufe. Diese kann an allen allgemeinbildenden Schulen besucht werden, auch an Gymnasien, wo inzwischen auch erste DaZ-Basisklassen eingerichtet werden. Die Daz-Schülerinnen und Schüler besuchen eine ihrer Altersgruppe entsprechende Klasse und werden am Nachmittag durch ihre DaZ-Lehrkräfte gefördert. Habersaat: „Dabei werden natürlich auch Fragen interkultureller und religiöser Vielfalt wichtig, die in den Lehrplänen aber ohnehin als Querschnittsaufgabe vorgesehen sind.“ Der größte Teil der Flüchtlinge an den berufsbildenden Schulen wird in Klassen des Übergangssystems, im Ausbildungsvorbereitenden Jahr oder in Berufseingangsklassen unterrichtet. DaZ-Strukturen werden hier massiv aufgebaut.

Um die Integration der Kinder und Jugendlichen auch in der Freizeit und in den Ferien zu fördern, hat das Land mit den Freien Wohlfahrtsverbänden einen „Sprachförderungs- und Integrationsvertrag“ abgeschlossen. Auf diesem Weg werden ehrenamtliche Angebote, beispielsweise aus den Vereinen und Verbänden des Landessportverbands, unterstützt und ergänzt – 2015 wurden auf dieser Grundlage mehr als 100 Projekte im ganzen Land gefördert. Dieser Tage wurde die Vereinbarung gerade um ein Jahr verlängert.

In den DaZ-Vorkursen der Erstaufnahmeeinrichtungen, an den DaZ-Zentren und in den Aufbaukursen der allgemeinbildenden Schulen unterrichten grundsätzlich Lehrkräfte mit einer Qualifikation für Deutsch als Zweitsprache, die sie entweder im Rahmen ihrer Ausbildung oder am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein (IQSH) erworben haben. Die Dauer der Nachqualifizierung am IQSH wurde gerade durch eine Überarbeitung der Module verkürzt, um dem steigenden Lehrkräftebedarf besser nachkommen zu können. Für künftige Lehramtsstudierende gilt, dass im Lehrkräftebildungsgesetz die durchgängige Sprachbildung als Pflichtelement in allen entsprechenden Studiengängen verankert worden. Die Universität Flensburg hat sich dieser Regelung bereits angepasst, die Universität Kiel wird das zum Wintersemester 2017/2018 tun. Habersaat: „Hier zeigt sich, dass unser Lehrkräftebildungsgesetz den Herausforderungen der Zukunft gut begegnet. Gleichzeitig brauchen die Schulen natürlich auch ausreichend Stellen. Im Laufe des Jahres 2015 wurden 365 zusätzliche Stellen geschaffen, seit dem 1. Februar stehen bis zu 280 weitere Stellen zur Verfügung, auch die Planstellen für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst wurden aufgestockt, es gibt Möglichkeiten für pensionierte Lehrkräfte zur vorrübergehenden Rückkehr und Geldmittel für die beruflichen Schulen.“

Insgesamt, so der Abgeordnete, stelle die Integration der vielen Flüchtlinge die Gesellschaft vor große Herausforderungen. „Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Ehrenamtliche, Verwaltungen und viele andere leisten hier Großartiges!“

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