Die Geschichte einer Jugendkneipe mit einem Hauch von Woodstock auf dem platten Lande

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Ulrich Bärwald, Sülfeld

 Das Sülfelder AUENLAND 1977 – vor 40 Jahren:

Die Kalkbergarena in Bad Segeberg bietet nicht nur seit Jahrzehnten den legendären Aufführungen der jährlichen Karl – May – Festspiele eine Heimstatt, dieses einzigartige Freilufttheater  wird seit Jahren auch für Musikkonzerte von besonderem Rang genutzt. Und so strömen wir Jugendlichen, gerade einmal wehrpflichtig im benachbarten Städtchen Eutin, am Dienstag, dem 30. August 1977, also vor 40 Jahren, zur Rock-Concert  Sommernacht ins Freilichttheater am Segeberger Kalkberg. Hier wollen wir uns das großartige ausverkaufte  Rockkonzert mit dem Mexikaner Carlos SANTANA, dem US – amerikanischen Sänger Country Joe McDonald und der Hamburger Rock-Formation Lake  bei herrlichem Spätsommerwetter anhören. Eine solche Veranstaltung hat die Stadt noch nie erlebt, titelt tags darauf die Heimatpresse.  Das kann auch heute nur noch bestätigt werden.

Mit  den Rhythmen von Black Magic Women und Samba Pa Ti der Gruppe SANTANA noch immer im Körper geht es dann zurück in die Rettberg – Kaserne nach Eutin. Doch auf dem Parkplatz am Kalkberg gibt es für die jugendlichen Besucher des Rock-Konzertes noch eine Überraschung: hinter den Scheibenwischern der geparkten Autos laden kleine selbst gestaltete Flyer zur Eröffnung der Jugend-Diskothek einer anderen Art nach Sülfeld  für die nächsten Tage, Anfang September 1977, ein. Das ist doch mein Heimatdorf im Kreis Segeberg, da müssen wir hin!

Ja, im bekannten bisherigen Schützenhof in der Ortsmitte von Sülfeld sind in den letzten Wochen des Sommers 1977 Veränderungen  zu bemerken, hier werkeln zugezogene junge Leute. Nun also soll dort die große Eröffnung des AUENLANDES erfolgen.

Die Geschichte

Von den verschiedenen Gastwirtschaften im Kirchdorf Sülfeld   ist der Gasthof von H. Kieckbusch schon um 1900 der größte. Hier ist ein 200 qm  großer Saal mit Bühne vorhanden. Bei den übrigen Wirtschaften im Dorf muss bei Bedarf erst jeweils ein Saal auf der großen Diele gelegt werden, denn diese Betriebe leben in der Hauptsache von der Landwirtschaft. Um 1910 geht der Gasthof von Kieckbusch auf August Wolgast über. Kieckbusch ist bereits 1883 zum Sülfelder Gemeindevorsteher gewählt worden.

 

1920 übernimmt dann Ernst Kabel von August Wolgast den Gasthof, nun Kabel´s Gasthof. Hier ist von 1926 bis 1946 auch eine Shell – Tankstelle angegliedert, später auch noch die örtliche Bank. Ab 1930 ist Gastwirt Ernst Kabel Oberbrandmeister des Amtsbezirks Borstel und ab 1934 Oberführer der Freiwilligen Feuerwehren – Löschzüge I bis V – des Amtes Borstel. Nach seinem plötzlichen Tod 1939 wird die Gastwirtschaft fortgeführt von seiner Witwe Emma Kabel und später, bis 1967, von der Tochter Anneliese, verheiratete Evers.

Sie verpachtet Kabel´s Gasthof, der dann umbenannt wird in Hotel, Restaurant Schützenhof Sülfeld. Hier gibt es neben dem Schankraum einen Speiseraum, einen kleinen Veranstaltungsraum im Obergeschoss, einen Clubraum, mehrere Hotel-Zimmer, einen großen Saal mit Sektbar und die große Bühne. Regelmäßig finden hier die Veranstaltungen der verschiedenen örtlichen Vereine statt, so jeweils am 2. Weihnachtstag das traditionelle Weihnachtskonzert des Musikzuges der Freiwilligen Feuerwehr Sülfeld, in den 1950er Jahren Kreismusikzug des Kreisfeuerwehrverbandes Segeberg, das Grünkohlessen als Kameradschaftsessen der Freiwilligen Feuerwehr Sülfeld, der Königsball der Schützengilde Sülfeld, der Fahnenausmarsch zum jährlichen Schützenfest, das Tanzvergnügen zum Vogelschießen, die gemeindliche Weihnachtsfeier für die Senioren, die Sitzungen der gemeindlichen Gremien, die Himmelfahrtskonzerte des Spielmannszuges Sülfeld, Familienfeiern und jede Menge anderer Veranstaltungen. Auf dem Saal werden in den 1960er Jahren regelmäßig wöchentlich Kino – Vorführungen von Klumps Wanderlichtspielen aus Bargteheide auf einem großen weißen Laken angeboten: für die Jugendlichen laufen nachmittags die neuen Karl – May – Filme, abends  sehen sich die Erwachsenen des Dorfes hier die neuen Helga – Filme an.

1974

 

Vom Gaststätten – Pächter werden zunehmend auch Diskotheken – Veranstaltungen auf dem Saal für Jugendliche angeboten; so tritt hier Anfang der 1970er Jahre Juliane Werding mit ihrem Song Der Tag, als Conny Kramer starb auf, Ostern 1976 auch noch einmal Billy Mo, der sich dann doch ….lieber einen Tiroler Hut kaufte….. Doch eine wirtschaftliche  Auskömmlichkeit für den Betrieb kann ganz offensichtlich vom Pächter nicht erzielt werden. Die Gastwirtschaft wird zunächst geschlossen  und von der Eigentümerin an den Bier- Verleger  Klaus Bonhoff aus Hamburg – Duvenstedt verkauft.

Der Neubeginn

Zu der Zeit, Anfang des Jahres 1977, sitzen mehrere Jugendliche  aus der näheren Umgebung zusammen und schmieden neue Lebenspläne: sie glauben in einer Wohngemeinschaft nur dann wirklich gut zusammen leben zu können, wenn man miteinander lebt und arbeitet und dass das in einem Gasthof wohl möglich sein würde. Sie entwickeln ein Konzept, das jungen Menschen eine aktive Freizeitgestaltung ermöglicht durch Musik, Tanz, Theater, Film, Sport, Spiele und Diskussionen. Inspiriert werden sie  zu der partnerschaftlich demokratischen Führung ihres Kommunikationszentrums und folglich dann auch zu seinem Namen durch  die Lektüre von R. R. Tolkiens Märchen für Erwachsene Herr der Ringe, das den gigantischen Kampf zwischen Gut und Böse in einer fiktiven Welt beschreibt. Alle, im Alter zwischen 21 und 25 Jahren, stehen in einem festen, sicheren Arbeitsverhältnis oder aber machen eine Ausbildung, vorwiegend sind es ausgebildete Erzieher.  Ihnen ist zu Ohren gekommen, dass da ganz in der Nähe von  Norderstedt, in Sülfeld, der Landgasthof Schützenhof wohl zu pachten sei. Alles Weitere geht dann auch ganz schnell und bereits im April 1977 ziehen die fünf: Kalle Roschinski, Gudrun Roschinski, Holler Vierth, Werner Rößler und Rosi Jositsch in Sülfeld im ehemaligen Schützenhof ein, in der utopischen Hoffnung, vielleicht schon im Mai hier die Kneipe eröffnen zu können, ein fataler Trugschluss. Der Pachtpreis: 2.600 DM und 4.600 DM  an Fix-Kosten, monatlich, Pachtdauer: zunächst fünf Jahre. Für den Erhalt der beantragten Schankerlaubnis müssen zunächst  die Männer-Toiletten nach Erteilung der Baugenehmigung umgebaut werden,  vom TÜV ist die mängelfreie Abnahme der gesamten Elektroanlage erforderlich, Überprüfungen folgen dann noch vom Kreisbauamt,  vom Kreisgesundheitsamt, vom Brandschutzingenieur, von der Hygieneaufsicht. In der Zeit ziehen zwei weitere Freunde ein: Jörgi Plickat und Beate Wenzlawski. Im August 1977 wird dann endlich die Schankerlaubnis seitens des Kreises Segeberg erteilt. Nun kann eröffnet werden. Viele Abende kam zuvor die Frage nach dem Namen des neuen Ladens auf: Sofa No. 1, Kuckucksnest, Atlantis… dann ist es doch AUENLAND geworden: naheliegend deshalb, weil nicht nur die Umgebung Sülfelds diesen Namen rechtfertigt, sondern weil wir alle beim Lesen  des Super – Märchens Der Herr  der Ringe  von R. R. Tolkien total abgefahren sind. In all diesem Wirrwarr  der Super – Kräfte in der Geschichte, die die Welt neu unter sich aufteilen wollen, liegt das AUENLAND wie ein ruhender Pol. Hier leben  die Hobbits, friedvolle und plietsche Wesen, halb so groß wie Menschen  mit behaarten Füßen und einer starken Vorliebe für gutes Essen  und Trinken, Ruhe und Gemütlichkeit. Und doch spielen zwei dieser im Grunde so unbedeutenden Wesen im Herr der Ringe die alles entscheidende Rolle. Ja, deshalb haben wir unseren Gasthof AUENLAND genannt. In der Folge werden diese Fabelwesen des modernen Märchens auch an den Wänden im Saal überdimensional verwirklicht.

 

Die Programm – Pläne sehen vor: Live-Musik, Live-Theater, Kinderfeste, Kinderkino, Fahrradverleih im Sommer, Schlittenverleih im Winter, Tischtennis im Saal, Federball und Frisbee auf dem Hof, Fernsehraum etc.

Wohlwissend um die möglichen problembelasteten Nachbarschaften gibt es zur Eröffnung folgende Verhaltensregelungen an die Besucher:

  1. Bitte benutzt die Aschenbecher!
  2. Bitte keine Flaschen und Gläser mit raus!
  3. Bitte fühlt euch mitverantwortlich!
  4. Bitte seid auf dem Parkplatz und vor dem Hause leise!
  5. Bitte keine Drogen!
  6. Bitte keine Schlägereien!
  7. Bitte seid nachsichtig, nicht alles ist vollständig, aber auch wenn das Messer nicht zur Gabel passt wird das Essen hoffentlich schmecken!
  8. Bitte entschuldigt Fehler, die wir sicher machen werden, aber wir sind, zum Glück, keine ausgebufften  Gastronomieprofies!
  9. Bitte kommt wieder!

Das Konzept der neuen Gastwirte in Sülfeld sieht vor: an allen Tagen der Woche ist der Eintritt in die Räume des Gebäudes frei, so dass auch mittellose junge Leute die Abende hier verbringen können. Hinzu kommt, dass es keinen Bestell- und Verzehrzwang gibt. Am Mittwoch, Freitag und Samstag finden im großen Saal für Freunde der Musik und des Tanzens Diskotheken – Veranstaltungen statt, aufgelegte Musik vom Plattenteller; auch haben Gruppen die Möglichkeit, hier auf der Bühne live zu spielen und sich den Besuchern zu präsentieren.

Etwasruhiger geht es in der abgeteilten  Gaststube  zu, wo bei leiser Musik das Gespräch im Vordergrund steht. Hier und im Nebenraum werden auch Speisen angeboten, legendär die Bratkartoffeln…Zwei Spielräume mit Billard und Flipper runden das Programm ab. Als letzte Einrichtung gibt es die Teestube, wo eine Vielzahl von Gesellschaftsspielen auf die Besucher wartet. Schnell gilt die Gaststätte, Diskothek und Teestube AUENLAND in Sülfeld als Geheimtipp für die Jugendlichen aus Lübeck, Hamburg, Neumünster und Bad Segeberg. Größte Entfernungen werden im Lande zurückgelegt, um hier einige Stunden zu verbringen. Die Besucherzahlen übertreffen zudem alle Erwartungen. An  den drei Diskothekentagen ist der Laden regelmäßig bis auf den letzten Platz besetzt. Das gewährleistet den Auenländern eine zunehmend gesunde wirtschaftliche Basis, der Umsatz pro Woche beläuft sich schnell auf 6.000 DM.

Allerdings gibt es im Laufe des Betriebs vom AUENLAND auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten, so mit Sülfelder Bürgern, vorwiegend Nachbarn der neuen Einrichtung, denen diese Wirtschaft zu viel Unruhe in das Dorf bringt. Auch betreten eines Abends einige unseriöse Herren  die Kneipe und stellen sich als Vertreter der Gaststätten-Gewerkschaft vor, frei nach dem Motto: Geld oder Schläge verlangen sie eine monatliche Schutzgebühr, die von den Auenländern jedoch nie gezahlt wird. In Folge gibt es in  den Tagen nach dem Besuch  hier zwar eine Schlägerei, die Angriffe können letztendlich aber gemeinsam erfolgreich abgewendet werden.

Ein Versuch, im AUENLAND Jugendarbeit zu betreiben schlägt jedoch fehl; um die Jugendlichen Sülfelds von der Straße zu holen und sie an Sinnvolles heranzuführen, Schularbeiten zu betreuen,  ist die Gaststätte täglich auch von 14.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. Die Erzieher unter den Betreibern wollen mit den Jugendlichen unter 16 Jahren arbeiten, spielen; dem Kreisjugendamt Segeberg bieten sie an, in der Betreuungszeit keinen Alkohol in der Kneipe auszuschenken…. dennoch  untersagt der Kreisjugendpfleger den Jugendlichen den Aufenthalt zu der angegebenen Zeit im AUENLAND, aus Gründen des Jugendwohls, trotz  einer Unterschriftenliste von 40 Eltern, die ihre Kinder gerne regelmäßig im AUENLAND unter Aufsicht betreuen lassen wollen. In der Hamburger FABRIK ist gerade diese angebotene regelmäßige Kinderbetreuung  einer der großen Pluspunkte…im Kreis Segeberg auf dem Lande ist das jedoch zu der Zeit nicht möglich.

Jetzt wohnt mittlerweile als achter Bewohner auch Uwe Heyderhoff mit im AUENLAND. Der Zuspruch der Jugend für das Sülfelder AUENLAND wächst zusehends. An den Wochenenden quillt das Dorf von parkenden Autos über, in allen Seitenstraßen um das AUENLAND stehen die Autos, nun schon regelmäßig mit Kennzeichen von Flensburg bis Hannover,  quer durch Norddeutschland und darüber hinaus. Dieser Ansturm führt leider auch zu einem tragischen Ereignis: im Einlasspulk, anfangs noch direkt an der Durchgangsstraße nach Bad Oldesloe, verstirbt ein junges Mädchen an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Sofort wird der Saalzugang verkehrssicher auf den rückwärtigen Hofbereich verlegt, nicht zuletzt auch, um den lärmgeplagten Menschen an der Dorfstraße gerechter zu werden.  Die regelmäßige Lärmbelästigung gerade nachts durch klappernde Autotüren, An- und Abfahrten der Besucher teils weit nach Mitternacht, das laute Radiohörn aus den Autos und die teilweise erhebliche  Verschmutzung des Ortskerns durch die Besucher machen es den Auenländern  im Dorf schwer.

Ausschließlich die von dem häufigen Kraftfahrzeugverkehr ausgehenden Lärmbelästigungen für die Anwohner führen schließlich zu einer Vorverlegung der Sperrstunde für das AUENLAND durch die Konzessionsbehörde auf täglich 23.00 Uhr. Dadurch wird die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Kommunikationszentrums derart beeinträchtigt, dass das Team resigniert und Ende 1978 den Betrieb des AUENLANDES ganz einstellt.

Die zweite Generation

Dennoch, sogar bundesweit ist der Trend zu verfolgen, wonach immer mehr Jugendliche aus den Städten ihre Abende in Dorfkneipen verbringen und hier bei Pop und Bier den Kontakt zur Landbevölkerung suchen. Überall in deutschen Landen avancieren ehemals unscheinbare Mauerblümchen der Gastronomie zwischen Kuhställen  und Dorfkirchen zu den Geheimtipps der Szene. Diese Szene geht ins Grüne. Wer auf sich hält, geht nicht mehr in den Folk-Club um die Ecke, nicht in den Jazz-Keller hinterm Bahnhof, heute trifft man sich im umgestalteten Dorf-Gasthof. Es sind Läden, die mit ihrer lockeren Mischung aus Schützenfest und Popfestival mit ernsten Gesprächen und Suffgelagen  eine neue Atmosphäre zaubern, so der STERN in einem Bericht aus dem Sommer 1979, in dem explizit das Sülfelder AUENLAND  in Wort und Bild erwähnt ist: Im Sülfelder Auenland, 30 Kilometer nördlich von Hamburg, sind neuerdings Wände, Decken  und Türen mit Märchenhelden bemalt.  Macher und Gäste träumen jetzt unter dem Schutz von Zauberern und Feen. Im gleichen Zusammenhang wird auch das Lutterbeker, 20 Kilometer nördlich von Kiel, genannt. Diese Szene – Kneipe gibt es so noch heute.

Und so findet sich aus ehemaligen Gästen, Freunden und Bekannten  eine neue Gruppe, die aus den Erfahrungen der ersten Auenländer gelernt hat  und mit einem veränderten Konzept für ein Kultur- und Kommunikationszentrum den interessierten Jugendlichen ihren Treffpunkt, das AUENLAND, erhalten will. Dafür behalten sie die kooperative Lebensform bei, das heißt: zusammen wohnen  und gemeinsam arbeiten, die Interessen vorwiegend  jugendlicher Bevölkerungsschichten in Eigeninitiative verwirklichen. Entscheidende Zielsetzungen dabei sind:

  • die Selbstorganisation der Interessen
  • die Befriedigung der kulturellen und kommunikativen Bedürfnisse der Jugendlichen
  • die größtmögliche Rücksichtnahme auf die Rechte anderer Bevölkerungskreise
  • die Geschäftsführung auf non-profit – Basis.

Im Februar 1979 schon beginnen diese sieben zähen Individualisten  das AUENLAND in Sülfeld trotz der Widerstände der Behörden  und Einzelpersonen wieder zu einem Begegnungszentrum  für die Jugendlichen der Region zwischen Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen, Bad Segeberg, Bad Oldesloe, Bargteheide und Ahrensburg zu machen:

Sabine Lassahn, Michael Scott, Werner Grewe, Christine Schröter, Andreas Brix, Roland Kühlcke und Helmut Scholze, alle zwischen 19 und 28 Jahre alt. Im Mittelpunkt steht bei ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen, nationalen  und auch internationalen  Musikgruppen. Man geht weg von der Disko-Szene, der Musikberieselung mittels Tonträger und vielmehr hin zur Live-Musik, um den Jugendlichen die direkte Bekanntschaft mit zeitgenössischen Musikrichtungen zu ermöglichen und  sie die Musik erleben zu lassen. Hierbei handelt es sich um eine aktive und bewusste Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den neuen Stilrichtungen  der Musik und ihrer Interpreten. So ist es im AUENLAND nicht nur möglich, die Musik zu hören, sie zu erleben und nach ihr zu tanzen, sondern man kann auch in den Pausen und nach Beendigung des Programms mit den Musikern  in der Kneipe oder der Teestube zusammensitzen, mit ihnen sprechen und  die Musik näher verstehen zu lernen. Gerade diese Möglichkeit des direkten Gesprächs mit den Musikern ist eine Besonderheit des AUENLANDES und in vergleichbaren Kulturzentren so nicht gegeben und rechtfertigt in besonderem Maße den Kulturanspruch des AUENLANDES. Dass die im AUENLAND überwiegend gebotenen Musikrichtungen:  Rock, Jazzrock, Blues, Folk, New Wave usw. anerkannte Bestandteile der nationalen  und weltweiten Musik- und Kulturszene und wesentlicher Teil der Jugendkultur sind, braucht eigentlich nicht extra betont zu werden. So vergibt u.a. die deutsche Phonoakademie alljährlich einen Kulturpreis in der Sparte: Rockmusik. Und die Rundfunk- und Fernsehanstalten räumen diesen Musikrichtungen in zunehmendem Maße Sendezeiten ein. Die Bedürfnisse nach diesen Musikerlebnissen  bei Jugendlichen zeigen schlaglichtartig die Einschaltquoten  bei der zweimonatlich im Fernsehen gesendeten Rockpalast – Nacht, die jeweils von 23.00 bis 4.00 Uhr morgens mehrere Millionen Zuschauer hat. Zu dieser Zeit kommen die Jugendlichen  nicht wegen eines Disko – Rummels ins AUENLAND, sie sind nicht etwa auf Partnersuche und sie wollen keinen Krawall; sie suchen vielmehr das Musikerlebnis und den Kontakt mit Gleichaltrigen in freundschaftlicher und zwangfreier Atmosphäre ohne Verzehrzwang. Dieses besondere, fast familiäre Fluidum macht den besonderen Reiz des AUENLANDES aus und bewegt die Jugendlichen und auch viele Musikgruppen, sich im AUENLAND zu Hause zu fühlen. Die Existenz des AUENLANDES ist  aber auch für viele Musikgruppen wichtig, da sie hier eine der wenigen Auftrittsmöglichkeiten im norddeutschen Raum vorfinden. Durch dieses Angebot an Live – Musik hebt sich das AUENLAND ganz entschieden von der allgemeinen üblichen Jugendmusikszene ab, wie sie vorwiegend in Diskotheken den Jugendlichen angeboten wird. Hier wird ein speziell musikengagiertes junges Publikum angesprochen, das ohne auf die enthemmende Wirkung von Alkohol angewiesen zu sein und hier auch nicht zum Alkoholgenuss animiert wird, sich dem Musikgenuss hingibt. 

In der Kneipe, am Tresen, links Roland Kühlcke, 1984

 

So bilden die Besucher des AUENLANDES eine ziemlich homogene Gruppe von Jugendlichen, die Hauptgruppe sind 18 – 25 jährige Schüler, Studenten und Auszubildende, die wegen des Musikprogramms erscheinen und nach Veranstaltungsschluss  den Laden wieder verlassen. Dadurch wird das alte Problem der Lärmbelästigung für die Anwohner durch die Besucher gegenüber dem früheren AUENLAND deutlich reduziert, es kommt daher auch zu keinem erneuten Protest aus der Bevölkerung.  Im Gegenteil: etliche Anwohner haben schriftlich erklärt, dass sie sich durch den Betrieb des AUENLANDES nun in keiner Weise gestört fühlen. Zur Unterstützung haben die Auenländer auch noch verschiedene bauliche Maßnahmen durchgeführt, so sind Fenster zur Straße zugemauert, die ehemalige Türöffnung zusätzlich schallisoliert worden; mit dem Einbau einer neuen Saalheizung, der Erfüllung weiterer behördlicher Auflagen  steigen die Belastungen für die Betreiber des AUENLANDES deutlich, hinzu kommen die  Kosten für Gagen, Pacht, Heizung, Strom von monatlich an die 8.000 DM; dennoch beträgt der Eintrittspreis  bis Oktober 1979 nur 1 DM, bis Dezember 1980 nur 1,99 DM und danach, bedingt u.a. durch steigende Heizkosten, nur 3 DM für alle Programmpunkte.

Das Gerichtsverfahren

Trotz all dieser Bemühungen der Auenländer verstummen  die Widerstände gegen diese Kultureinrichtung nicht und zwar nicht seitens der eingebundenen Genehmigungsbehörden; das sind der Amtsvorsteher des Amtes Itzstedt sowie der Landrat des Kreises Segeberg. Klagen oder Bürgerproteste der Anwohner sind nämlich seit der Wiedereröffnung des AUENLANDES  nicht laut geworden. Nur die örtlichen Behörden lassen in dieser Hinsicht keinen Umdenkungsprozess erkennen  und betrachten das AUENLAND weiterhin als Fremdkörper in der Gemeinde Sülfeld, der zudem als Störenfried angesehen wird und dem deshalb die Existenzgrundlage entzogen werden soll. Dabei steht mittlerweile nicht mehr die Lärmbelästigung im Vordergrund der behördlichen Widerstände gegen diese Jugend-Einrichtung, denn hier sind die juristischen Angriffspunkte schwächer geworden, sondern dem AUENLAND soll die Konzession als Tanzlokal entzogen werden. So schreibt dazu der Amtsvorsteher des Amtes Itzstedt in seiner Begründung: Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Besucher des Lokals AUENLAND zu den dargebotenen Musikveranstaltungen  mehr oder weniger unorthodoxe Bewegungen ausführen, kann von einem Tanzlokal nicht die Rede sein, da der Begriff des Tanzens u.a., und nicht nur geringfügig, Gesellschaftstänze umfasst. Also: Die Erlaubnis ist zu entziehen mit der Begründung, dass die Jugendlichen sich dort nicht nach den Regeln der Gesellschaftstänze bewegen, sondern dass sie dem  intensiven Musikerleben andere, ihnen  eigene Ausdrucksformen geben; das heißt nach Ansicht der Behörden: unorthodoxe Bewegungen ausführen.

Und so widerruft der Kreis Segeberg  im März 1980 die im September 1979 für das AUENLAND in Sülfeld erteilte  Erlaubnis  zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft und eines Tanzlokals; die Durchführung von Diskothekenveranstaltungen hat der Kreis Segeberg bereits im September 1979 versagt. Damit ist auch diesen Auenländern jedoch ihre wirtschaftliche Existenz staatlicherseits vollständig entzogen. Begründet wird  dieser Genehmigungswiderruf auch damit, dass  Gastwirt Roland Kühlcke durch die Veranstaltung von Musik- und Theateraufführungen  die erlaubte Betriebsart unbefugt geändert und inhaltliche Beschränkungen der Erlaubnis nicht beachtet habe. Zudem sei mit der gaststättenrechtlichen Erlaubnis die Auflage erteilt worden, dafür Sorge zu tragen, dass durch den Betrieb der Gaststätte keine Belästigungen der An- und Einwohner des Dorfes einträten. Diese Auflage  sei nicht eingehalten worden. Erfolgte Messungen hätten zudem ergeben, dass Lautstärkegrenzwerte erheblich überschritten würden; ebenso seien  bauordnungsrechtliche Auflagen  seitens der Auenländer trotz Fristsetzung nicht erfüllt worden.  Gegen diese Versagung erfolgt nach erfolglosem Widerspruch die Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht. Unter Anwesenheit von annähernd 200 AUENLAND – Unterstützer  tagt das fünfköpfige Richterkollegium des Schleswig – Holsteinische Verwaltungsgerichts nach einem Ortstermin am  23. Februar 1981 in Lübeck. Die Auenländer als Kläger fahren in ganzer Linie einen Erfolg gegen den Kreis Segeberg ein, sie gewinnen das Verfahren in allen Punkten. Aus der Gerichtsbegründung: Der Kläger (die Auenländer) überschreitet mit der Durchführung von Musikveranstaltungen  noch nicht den Rahmen des ihm Erlaubten. Die Existenz eines Tanzlokals schließt denknotwendig die Darbietung von Musik ein. Wenn dem Kläger die Durchführung von Diskothekenveranstaltungen, also der Einsatz von Musikkonserven, versagt wird, so muss ihm sinnvollerweise zugestanden bleiben, in seiner Gaststätte Musikgruppen auftreten zu lasen. Es hieße, die Augen vor den Veränderungen der Zeit zu verschließen, wollte man unter einem Tanzlokal nur solche Saalgaststätten verstehen, deren Gepräge dem einer Tanzschule im herkömmlichen Sinne gleichkommt. Zu den einzuhaltenden Lärmgrenzwerten führt das Verwaltungsgericht weiter aus: Die dem Gutachten zugrunde liegenden Messergebnisse sind am 2. Februar 1979 ein Sülfeld ermittelt worden. Die Auflage ist dem Kläger (den Auenländern) jedoch erst mit der gaststättenrechtlichen Erlaubnis am 10. September 1979 erteilt worden. Ganz abgesehen davon, dass der Kläger die Gaststätte im Februar 1979 noch nicht betrieben hat, bedarf es  nach Ansicht des Gerichts keiner weiteren Erörterung, dass der Kläger mit einem Verhalten vom Februar 1979 nicht gegen eine Auflage vom September 1979 verstoßen kann. Eben so wenig sind die  1979 durchgeführten Schallmessungen verwertbar. Die hierzu angefertigten Vermerke werden den Mindestanforderungen, die an ein Lärmmessprotokoll zu stellen sind, nicht gerecht. Schlussendlich stellt das Verwaltungsgericht fest, dass der Beklagte, der Kreis Segeberg, in seine Ermessensbetätigung die Erwägung einzubeziehen hat, ob  an dem Weiterbestehen einer grundsätzlich zu begrüßenden aktiven, auf Eigeninitiative beruhenden, nicht kommerziellen Jugendarbeit nicht ein derart zu gewichtendes öffentliches Interesse besteht, dass der ebenso im öffentlichen Interesse  liegende Schutz der Nachbarn vor unzumutbarem Lärm im minderen Maße besteht.

Nicht vergessen werden sollte dabei ein Lärm – Messtermin durch das seinerzeit zuständige Gewerbeaufsichtsamt Lübeck auf dem Marktplatz des Dorfes: nicht der Betrieb des AUENLANDES war im Dorf lärm – störend, über die Lärm – Grenzwerte  hinaus übte vielmehr der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr  bei offenem Fenster in einer weiteren Gastwirtschaft am Marktplatz und machte Lärm bzw. Musik.

Die Auenländer haben also obsiegt und können mit Ihrem AUENLAND in Sülfeld weitermachen. Zum Gerichtsurteil zugunsten des Jugend- und Kommunikationszentrums AUENLAND in Sülfeld resümiert die örtliche Presse: Das Urteil ist eine Ohrfeige für den Beklagten (Kreis Segeberg); und zwar wegen eines blindwütigen emotionellen Eifers und seiner verstaubten Ansichten und Moralbegriffe von gestern, mit denen heute bei und mit der Jugend weder  Politik zu machen noch Prestige zu gewinnen ist.

 

Die Gruppe Ougenweide spielt im AUENLAND, 15. April 1982

Der 1. Allgemeinen Verunsicherung aus Österreich gefällt  die Sülfelder Location so gut, dass die Musiker lieber hier im AUENLAND für einen Bruchteil der üblichen Gage auftreten als in Hamburger Clubs; sie beginnen zur damaligen Zeit alle Deutschland – Tourneen  mit ihrem Auftritt in Sülfeld und spielen sogar eine LP im Sülfelder AUENLAND ein. Über all die Jahre werben die gelben Monats – Programm – Zettel für  das AUENLAND, schnell verteilt von Hand zu Hand in den einschlägigen Kneipen und Clubs der Umgebung aber auch an den Schulen;  die heutigen neuen Medien gibt es dafür seinerzeit noch nicht dafür.

Mai 1981

Auch politisch werden die Veranstaltungen im AUENLAND; es finden Konzerte  für den Frieden, gegen Atomraketen, gegen die US – Reagan – Administration statt, die gerade neu gegründeten GRÜNEN feiern im AUENLAND, die links-politische Rockgruppe OKTOBER um den Schriftsteller Peter Paul Zahl tritt mehrfach hier auf, ihr Plattencover ziert eine Aufnahme aus der AUENLAND – Gaststube. Der der Gruppe ebenfalls verbundene Sänger Kalla Wefel schreibt sogar ein eigenes AUENLAND – Lied über diese nun auch weit über Schleswig – Holstein hinaus bekannte Einrichtung in unserem Dorf. Hiervon gibt es im April 1981 eine eigene Single.

 

Kalla Wefel:  Das AUENLAND – Lied

Da gibt´s bei uns, nicht weit von Hamburg, nicht in New York und nicht in Paris,

keine Kommerzfabrik, kein Szene Onkel Pö, sondern ein letztes echtes Paradies;

da ist der Eintritt auch nicht so groß und du kannst da viele Sachen kriegen,

im Sommer gibt es nicht nur knackigen Salat, als Beilage kriegst du massig Fliegen;

im Winter  ist es dort nur ein bisschen zu kalt aber immer noch besser als im Wienerwald.

Hände strecken sich, Hälse recken sich, Beine trampeln, die Wände wackeln,

im AUENLAND ist es mal wieder ganz groß, da ist der Bär los,

der Au- Au- Auen – Bär ist los.  

Die Leute, die gegen das AUENLAND reden, sind für uns ein seltener Segen,

stehen die in der Küche, gibt es keine Flüche, putzen die das Klo, sind  die noch immer froh;

und ehe ich besoffen nach Hause renne, kriege ich  ´ne Matratze  und penne.

Hände strecken sich, Hälse recken sich, Beine trampeln, die Wände wackeln,

im AUEBNLAND ist es mal wieder ganz groß, da ist der Bär los,

der Au- Au- Auen – Bär ist los

Da gibt es leider natürlich ein paar Neider und ein paar Leute,

die hätten gern auch heute ein Skandal im Auensaal;

die schickten Polizisten zum Menschen ausmisten, doch haben die nichts gefunden,

nur friedliche Kunden.

Wir freuen uns allesamt  im AUENLAND.

Hände strecken sich, Hälse recken sich, Beine trampeln, die Wände wackeln,

im AUENLAND ist es mal wieder ganz groß, da ist der Bär los,

der Au- Au- Auen – Bär ist los.

Und wenn wir kommen, der Laden ist voll, das wird  `ne lange Nacht mit Rock´n Roll,

dann wissen wir, es bewegt sich noch, die jämmerliche Erde immer noch.

Wir finden, von solchen  Wahnsinnsläden sollte es viel,  viel mehr noch geben.

Hände strecken sich, Hälse recken sich, Beine trampeln, die Wände wackeln,

im AUENLAND ist es mal wieder ganz groß, da ist der Bär los,

der Au- Au- Auen – Bär ist los.

 

Hände strecken sich, Hälse recken sich, Beine trampeln,  die Wände wackeln…

Der ganz große Musiker – Fang aber gelingt den Auenländern, als im Februar 1984  vor über 400 Besuchern im Saal des AUENLANDES in Sülfeld die  Woodstock – Legende  Alvin Lee an der Gitarre sein I´m Going Home  mit Band zelebriert. Alvin Lee ist Superstar der Blues – Rock – Band Ten Years After, die  Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre mit an der Weltspitze der Popmusik rangiert. Alvin Lee ist schon früh aufgetreten auch im Hamburger Starclub auf der Reeperbahn und steht nicht zuletzt mit dem Ex – Beatle George Harrison  und auch mit Ronnie Wood von den Rolling Stones auf der Bühne. Sein Auftritt im AUENLAND….. schon eine wirkliche Sensation für Sülfeld!  Er stirbt im März 2013.

Das AUENLAND in Sülfeld, 6. März 1987

Das Ende

Gegen Mitte der 1980 er Jahre läuft das AUENLAND dann nicht mehr so wirtschaftlich und wird schlussendlich zum Leidwesen der bisherigen Besucher aus dem gesamten norddeutschen Raum geschlossen. Das dann endgütige Ende des legendären AUENLANDES gibt es zehn Jahre nach Eröffnung in der Nacht zum 6. März 1987: um 1.58 Uhr brennt der gesamte Gebäudekomplex nach einer erneuten Brandstiftung, schon unbewohnt, bis auf die Grundmauern nieder.

Jahre später wird die lind-grüne Brandruine in der Ortsmitte Sülfelds abgerissen und damit auch die Erinnerung einer Jugendgeneration auf dem platten Land aus den 70er und 80er Jahren optisch abgeräumt. Heute stehen an diesem legendären Kneipenort nichtssagende Wohnbauten.

Genau 40 Jahre nach Eröffnung des AUENLANDES feiern die Anhänger dieser ehemaligen Institution dieses Jubiläum in Erinnerung an ihre Jugend – Kneipe in Sülfeld am 1. September 2017 mit Live – Musik im  KNUST in Hamburg. Und auch hier steht hinter dem Tresen  Kalle / Karl Roschinski, der vor eben genau 40 Jahren auch seine Idee vom  AUENLAND in Sülfeld umsetzte.

Das Fazit

In der Rückschau betrachtet haben die Jugendlichen mit der Verwirklichung ihres Lebenstraums  durch die Einrichtung und dem Betrieb der Jugend – Kneipe AUENLAND etwas ganz Besonderes in einem kleinen holsteinischen Dorf, eben in Sülfeld, geschaffen. Sie haben mit ihrem Engagement  auch den Dorf-Jugendlichen, für die ohne Verkehrsmöglichkeiten die nahe Großstadt mit ihren vielfältigen Angeboten an den Wochenenden eben einfach nicht erreichbar war,  durch die zahllosen Veranstaltungen  die große Live – Musik – Welt ins Dorf gebracht. Als Jugendlicher ist man stolz gewesen, in dem Dorf mit einem derartigen ungewohnten Angebot, eben der Jugendkneipe, zu leben. An jedem Wochenende ist Action vor der Haustür.  Sicher, es gab erhebliche  Störungen wegen Lärm und Schmutz für die unmittelbare Nachbarschaft, auch kann nicht bestritten werden, dass Drogen hier eine Rolle gespielt haben, aber die jugendlichen Betreiber  konnten sich mit den Nachbarn arrangieren. Das gelang allerdings mit den Behörden, dem Amt Itzstedt und dem Kreis Segeberg zu keiner Zeit, eben weil es in den Behörden schon nicht im Ansatz eine Bereitschaft zu einem Miteinander gab. Aber in Behörden handeln letztendlich auch nur Personen.  Dieses staatliche Fehlverhalten den engagierten jugendlichen Initiatoren gegenüber ist beiden behördlichen Institutionen ja auch nicht umsonst vom Verwaltungsgericht recht deutlich um die Ohren gehauen worden.  Für sie zählten  die Belange der Jugend seinerzeit   eben – noch – nichts. Nicht von ungefähr sind danach beim Amt Itzstedt vorzeitig auch sämtliche Akten zum Thema AUENLAND in Sülfeld vernichtet worden; aber das AUENLAND ist ja auch schon vor 30 Jahren abgebrannt.

Schlussendlich mag noch ein Cartoon von Marunde aus einer Frauenzeitschrift an etwas ganz Besonderes erinnern:

 

 

 

 

13 Kommentare

  1. Uff: Zwei Jahre nach Erscheinen dieses exzellenten Artikels habe ich ihn endlich entdeckt – und bin baff über all das, was ich selbst zwar in Teilen ’seinerzeit‘ begeistert miterlebt habe – und über all das, was mir bisher verborgen blieb. Danke, Uli Bärwald, für die umfangreiche Darstellung – und danke all die engagierten Aktivisten, die damals viel für eine alternative Lebensweise getan haben ! Und toll zu erfahren, daß Kalle immer noch aktiv ist. – Charly Schreckschuß-Band im Auenland werde ich -damals Mittzwanziger- nie vergessen.

  2. Ich wohne jetzt in Melbourne, war aber in den spaeten 1970ern auch einer der langhaarigen Hascher, die da mit ihren bekifften Freunden einegtrudelt sind, um in alten Sofas abzuhaengen und die 1. Allgemeine Verunsicherung, Holde Fee (spaeter nur noch Fee) und die Charlie Schreckschuss Band zu sehen. Auch ich fand die Charlie Schreckschuss Band absolut grandios. Auch heute noch kann ich mich masslos fuer junge Leute begeistern, die zwar keine Erfahrung aber jede Menge Ideale und Enthusiasmus haben. Da koennen sich all die Erwachsenen, die sich ueber die Jahre von Behoerden und Vorgesetzten in ein Korsett draengen lassen haben, eine ordentliche Scheibe von abschneiden.

    • Volker, leider habe ich das alles erst jetzt entdeckt….wir waren mindestens zweimal auf dem gleichen Konzert. Mir hat besonders die erste allgemeine Verunsicherung gefallen.
      Ich war 17 und fand alles genial…ins Knust gehe ich heute noch. Livekonzerte sind seit Jahrzehnten mein Hobby. Und meinen Enthusiasmus habe ich mir bewahrt und teile Dein Verständnis für die Jugend. Wir sind alle nur einmal jung und ich hab nicht vergessen,
      wie schön die Zeit war. Das gönne ich auch allen anderen.

  3. Tja, so war’s und hat uns viel (sehr viel) Arbeit und Spaß eingebracht. Das Auenland hat uns als bereits schon vorher bestehende WG zusammengeschweißt und mit vielen Erfahrungen bereichert, die wir uns zuvor auch nicht ausgemalt hatten. Wir waren zwar die erste Generation der Auenlandbetreiber, aber doch in erster Linie eine WG mit einem äußerst vielfältigen Leben und Interessen. In der Aufzählung der ersten Generation fehlt mir noch der Uwe Heiderhoff und war der Jörg Plickert eigentlich auch von Anfang an dabei???

    Dieser Artikel von Uwe Bärwald ist klasse und ich habe ihn mit Genuss gelesen, danke!

    Über die Zusendung von einer Vielzahl von Fotos aus dieser wirklich besonderen Zeit im Auenland würde ich mich echt freuen, Rosi und ich haben nämlich leider festgestellt, dass wir nur noch wenige Fotos haben. Uwe, Du warst unser Fotograf…stöbere doch mal in Deinem Archiv!

    Allen eine gute und gesunde Zeit, Gudrun Roschinski

    • Ja, da sag ich mal DANKE für alle eure viele Mühe, jedem, der daran mitgewirkt hat, 1./2. Generation. Ihr habt uns irgendwie eine Art Zuhause gegeben als Landeijugend. Ich hatte in der Zeit natürlich auch ein paar Hamburger Szenelokale angetestet, was aber jedesmal enttäuschend war. Das Auenland war einfach einmalig und wurde weder während noch später auch nur annähernd erreicht. Es war so besonders wie es ihr Betreiber ward und natürlich auch die Gäste. Was es mit dem Auenland aber eigentlich auf sich hatte, habe ich tatsächlich erst Jahrzehnte später durch die Verfilmung der Tolkien Saga mitgekriegt 🙈 Aber die Malereien im Saal haben mir schon immer gefallen.
      (Leider habe ich damals keine Fotos gemacht, womit auch..😆)
      Euch allen alles Gute!

  4. Ach wie schön der Artikel. Und ach wie wunderschön war’s im Auenland. Gern bekifft und gern auch mal nicht. Aber immer frei und voll Freundlichkeit für Liebe und das Leben. Vielen Dank den Leuten, die uns in unserer frühen Jugend damals gerettet haben vor den ganzen Momo Menschen und den armen übrig gebliebenen alten Nazi-Nachbarn damals. Eigenes Altern kann schon auch abschleifen, und Geld anhäufen noch viel mehr. Aber egal: No Pasaran! 🙂

  5. Wunderbar! Damals war ich 15 Jahre alt. Ich kann sagen das meine Eltern zu den 40 gehörten die damals froh waren das auf dem Dorf ein Ort für die Jugend geschaffen wurde. Die Sylvester Feier 77/78 war meine schönste, weil erste ohne Elterliche Aufsicht.
    Den Rest habe ich nicht mitbekommen, weil wir 1978 weggezogen sind.
    Aber in der Jugend sind 10 Monate gefühlte 5 Jahre in Echtzeit, deshalb war es für mich eine lange, schöne Zeit!

  6. Jo, ich bin da immer von Bargteheide aus hingetrampt, manchmal 3x die Woche. Da war noch echtes Hippie Feeling angesacht. Der Eintritt war schnell zusammen geschnorrt und irgendwer hat einen immer „dran ziehen“ lassen. Oder ich konnte auch selber mal beitragen. Hamburg Blues Band, Embryo, Popol Vuh und die o.gen. Bands..einfach geil! Es war irgendwie unser Dauer-Woodstock, nur noch geiler. Tischfußball gleich beim Eingang, Bratkartoffeln inner Kniep, Billard und denn noch glücklich abhängen bei Tee und n Keks bei Räucherkerzen und Mädchen mit Henna in den Haaren und Patschuliduft. Nee war datt schöön. Naja, das war einmal…

  7. Mit grösstem Dank und voller Freude denke ich, heute 65 J. alt, in der Schweiz lebend, an die Auenlandzeit zurück! Damals lagen immer Flyer im „Klacker“ in Bad Segeberg aus. Auf die wir immer scharf waren. Das Angebot war genial! Dort habe ich den ersten weltbesten Salat mit Schafskäse in meinem Leben genossen. Immer wieder total viel Freunde getroffen, tollen Bands applaudiert und das ganze Flair, einzigartig, weit und breit, enthusiastisch geatmet.
    Einmal durfte ich auch auf der Bühne stehen, mit einer Band und danach dem begeisterten Publikum Autogramme abgeben. War schon super gut im Auenland!
    Später, zu Beginn der 80ger, feierten meine ewige Freundin Christine und ich dort noch Silvester, mit Schoki. War so ziemlich das letzte Mal, dass wir dieses herrliche Auenland erleben durften.
    Wenn ich diesen Artikel, der super ist, heute nicht gefunden hätte, wäre ich versucht gewesen, das Auenland noch einmal zu besichtigen.
    Herzlichsten Dank an alle Betreiber/innen- ein ewiger riesen Fan- Gaby

  8. Ulli, danke für diesen tollen Artikel, da werden Erinnerungen wach 😉 Im laufe der Jahrzehnte habe ich immer wieder an das Auenland denken müssen. Welch eine prägende Zeit in meiner Jugend, einfach unvergessen. Ich habe mich dort immer sehr wohl gefühlt. Die Anreise aus Norderstedt war ja auch ein Klacks. Und da ich eher fürs Landleben bin, wohne ich immer noch in der Gegend, jetzt am westlichen Ende des Kreises SE ohne Nachbarn in Sichtweite 🙂

  9. Danke für den sehr schönen und informativen Artikel, den ich leider erst heute durch Zufall gefunden habe. Ich erinnere mich auch an tolle Auftritte der „Kaltenkirchener Lokalmatadoren“, die ich auch im Logo, in Hüttmannś Gasthof, im Colosseum in Burg und im Ballhaus Pompös in Kiel gesehen habe und deren Musik ich bis heute höre: Die GETTO BAND. Zeitlose Mucke, die sich noch heute mit anderen messen kann. Falls jemand Bildmaterial sein eigen nennt, wäre ich über eine Kontaktaufnahme dankbar.

    • Zustimmung! Texte mit Tiefgang, zweistimmige Gitarren, dynamische Solos mit Metal-Anklängen – das war die Getto-Band Mitte der 1980er.
      Ich bin selbst aus Kaki, alter Fan, habe auch noch ein paar Audioaufnahmen, Live & Studio. Vielleicht kriegen wir einen Austausch hin?
      Grüße, Tim 0151 / 4615 8534

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