Referent. Prof. Urs Wyss
Institut für Phytopathologie
Ein stundenlanger Streifzug durch den Mikrokosmos eines Lindenbaums wird im Filmvortrag vergleichbar aufregend wie ein Streifzug durch den Dschungel: Überall, auch im verborgensten Winkel regt sich Leben. Winzige, nur bei sehr starker Vergrößerung sichtbare Gallmilben besiedeln die von ihnen modifizierte Areale und Wohnungen, Psocopteren (Staubläuse) sind mit mindestens drei Gattungen allgegenwärtig und faszinierend ist es, mit anzusehen, wie sich Stinkwanzen in ihren Eiern entwickeln und wie ihr spezifischer Feind, eine parasitisch lebende Wespe, mit ihnen umgeht. Die Lindenblattwespe Caliora annulipes hinterlässt auf der Blattunterseite ähnliche Fraßsymptome wie die zu den Zwergwicklern gehörende Raupe Bucculatrix thoracella. Bewundernswert, wie diese Raupe im verpuppungsreifen Stadium mit dem Bau eines Hangar-ähnlichen Seidenkokons ein architektonisches Meisterwerk vollbringt. Der Hauptbewohner der Linde, die apart rotäugige Lindenzierlaus Eucallipterus tiliae, vielen wegen ihrer verschwenderischen Honigtauausscheidung bekannt, hat kaum eine Chance, sich gegen eine Vielzahl von Feinden zu wehren, seien es Marienkäfer, räuberische Wanzen sowie Larven von Schweb- und Florfliegen – ein ziemlich schauriges Schauspiel.