Gastbeitrag von Christof Leidner
Seit 2001 ist Bargteheide mit dem polnischen Żmigród verschwistert. Die niederschlesische Stadt, die 40 km nördlich von Breslau liegt, bildet zusammen mit seinen Umlanddörfern eine Gemeinde. In der nachstehenden Kolumne berichte ich auf Basis von Internet- und Pressemeldungen über einige Schlaglichter aus dem Leben unserer polnischen Partnerkommune. Wenn wir nun während der Corona-Epidemie mehr Zeit zu Hause verbringen, ist die Lektüre über die Freuden, Hoffnungen, Sorgen und Nöte unserer polnischen Nachbarn ja vielleicht eine willkommene Abwechslung. Jedenfalls sollte sich Anteilnahme am Leben einer Partnerstadt nicht nur auf einige wenige Bürger beschränken.
Corona in Bargteheides Partnerstadt
In der Corona-Krise (wie übrigens auch vielen anderen Lebenslagen) lässt sich gut beobachten, dass in Polen vieles schneller und unkomplizierter funktioniert. Während man bei uns noch darüber diskutierte, ob Fußballspiele vor mehreren Zehntausend Zuschauern stattfinden könnten, hatte die polnische Regierung bereits Großveranstaltungen untersagt, eine zweiwöchige Schließung von Museen, Kinos, Theatern, Schulen und KiTas verfügt, sowie Lohnersatzleistungen zur Kinderbetreuung ausgeweitet. Mittlerweile werden keine ausländischen Touristen mehr ins Land gelassen. In Żmigród hat das Kulturhaus alle Angebote eingestellt. Das Sozialzentrum der Gemeinde ruft zur Nachbarschaftshilfe auf und bittet über eine eigene Telefonnummer hilfsbedürftige, alte bzw. einsame Menschen zu melden, die in irgendeiner Weise von der Epidemie betroffen sein könnten.
Der Name Żmigród setzt sich aus den polnischen Wörtern Żmija (Schlange, speziell: Kreuzotter) und Gród (historischer Begriff für Burg bzw. Stadt) zusammen. Überlieferungen zufolge soll sich im heutigen Stadtzentrum (in der Nähe des Wasserturms) auf einer Anhöhe das Nest einer Schlange befunden haben, die wegen ihrer stattlichen Größe als Drache galt. Daran erinnert auch der frühere deutsche Ortsname Trachenberg. Und so wurde und blieb der Drache über alle Unbilden der Geschichte hinweg das Wappentier unserer Partnerstadt. Das Referat für Stadtmarketing in der Żmigróder Verwaltung (ja, so etwas gibt es dort!) kann mit so einem Pfund natürlich wuchern. Die findigen Köpfe haben damit begonnen, überall im Ort kleine Drachenfiguren aufzustellen. Dazu ließ man sich vom großen Nachbarn Breslau inspirieren, wo es für Touristen im ganzen Stadtgebiet 600 Zwergengestalten zu entdecken gibt. In Żmigród gibt es noch nicht ganz so viele kleine Drachen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Żmigróderinnen und Żmigróder sammelten 16. 000 Euro für einen guten Zweck
Während bei uns der Advent die Zeit der großen Spenden- und Hilfsaktionen ist, finden in Żmigród erst zu Jahresbeginn viele karitative Veranstaltungen statt. Für die polnische Stiftung „Großes Orchester der Festtagshilfe“ engagieren sich jedes Jahr am ersten oder zweiten Januarsonntag landesweit Tausende freiwilliger Helfer, um Geld für die Ausstattung von Kinderkrankenhäusern zu sammeln. Und so beteiligten sich auch in diesem Jahr viele bekannte und unbekannte Żmigróderinnen und Żmigróder wieder mit vielfältigen Aktionen und brachten umgerechnet über 16.000 Euro für den guten Zweck zusammen! Dabei ist zu beachten, dass die privaten Spender im Durchschnitt über wesentlich geringere Einkommen verfügen als wir Deutsche.
Ebenfalls im Januar fand der 12. Drachenball statt. Die Wohltätigkeitsgala ist stets konkreten Menschen aus Żmigród gewidmet, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hat (dieses Mal waren es die bei einem Verkehrsunfall schwer verletzte 19jährige Natalia und der seit Geburt schwerstbehinderte 5jährige Dominik). Unter den Gästen findet sich dann alles, was Rang und Namen und natürlich keine mit Stacheldraht vernähten Taschen hat. Und denen wird neben der Tombola ein attraktives Programm mit prominenten Gästen geboten. Höhepunkt ist jedes Mal die Verleihung des „Żmigróder Erfolgsdrachen“ an verdiente Bürgerinnen und Bürger bzw. Organisationen. Der Preis wird in mehreren, jährlich wechselnden Kategorien vergeben. Und in Polen kann es nicht anders sein, dass bei alldem auch gut gespeist und reichlich getanzt wird.
Unter dem Motto „Marathon auf Raten“ organisieren Kulturhaus, Gemeinde und ein Sportverein bereits zum achten Mal einen regelmäßigen öffentlichen Lauftreff. In den 10 Monaten von Februar bis November findet an jedem dritten Sonntag im Monat ein Volkslauf über 4.200 Meter statt. Zum Auftakt am 16. Februar fanden sich 74 Teilnehmer im Schlosspark ein, darunter auch Bürgermeister Robert Lewandowski, der selbstverständlich mitlief. Zum ersten Mal gab es ein Angebot für Nordic-Walking-Freunde. Der nächste Termin am 15. März fällt nun leider dem Corona-Virus zum Opfer. Aber das Jahr ist noch lang, sodass man bis November die fehlenden Kilometer zur Marathon-Distanz sicher noch nachholen kann.
Text: Christof Leidner
Fotos: Redaktion Wiadomości Żmigródzkie