Neues aus Żmigród (5)

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Seit 2001 ist Bargteheide mit dem polnischen Żmigród verschwistert. Die niederschlesische Stadt, die 40 km nördlich von Breslau liegt, bildet zusammen mit seinen Umlanddörfern eine Gemeinde. In meiner Kolumne berichte ich auf Basis von Internet- und Pressemeldungen über einige Schlaglichter aus dem Leben unserer polnischen Nachbarn, über ihre Freuden, Hoffnungen, Sorgen und Nöte. Denn die Anteilnahme am Leben einer Partnerstadt sollte sich nicht nur auf persönliche Begegnungen einiger weniger Bürger beschränken.

Robert Lewandowski gratuliert Ignacy Wojtaszek

 

  • Thema Nummer 1 ist und bleibt zzt. leider Corona. In Polen sind seit August die Fallzahlen noch schneller gestiegen als bei uns, sodass bei einer nicht mal halb so großen Bevölkerung die täglichen Neuinfektionen jetzt über denen in Deutschland liegen. Das unterfinanzierte Gesundheitssystem ist an seiner Belastungsgrenze. Deshalb wurden Anfang November landesweit wieder die Schulen geschlossen. Zurzeit sind in unserer Partnerstadt 45 Krankheitsfälle gemeldet (Stand 12.11.2020). Nach Infektionen bereits genesen sind 138 Personen, aber in den vergangenen 10 Tagen waren in Żmigród eben auch zwei Todesfälle zu beklagen. Im trüben November drückt all das gerade sehr auf die Stimmung. Dass es in den letzten Wochen neben diesen Schatten, aber noch reichlich Licht gab, vermitteln hoffentlich die folgenden Nachrichten.
  • Selbst in der Corona-Zeit funktioniert Żmigród wie eine gut geölte Investitionsmaschine. In der jüngsten Ausgabe des Stadtmagazins stellt Bürgermeister Robert Lewandowski als neuestes Projekt den Bau eines Hallenbades vor, für das das Sportministerium 5 Mio. Złoty (ca. 1,25 Mio. Euro) bewilligt hat. Allein bei dem Gedanken an die laufenden Kosten dürfte es Bargteheides Finanzpolitikern vermutlich eiskalt den Rücken runterlaufen. Nun wird das sicher keine Schwimmoper und zudem soll das Vorhaben mit einem Schulerweiterungsbau kombiniert werden. Das klingt vernünftig, denn ein Schwimmbad ist immer auch als Bildungseinrichtung zu verstehen. Die Ausschreibung soll noch in diesem Jahr erfolgen. Mit der Umsetzung ist dann bis Ende 2022 zu rechnen.
  • Als Pendant zum „Happy Birthday“ singt man in Polen „Sto lat“, mit dem man Jubilaren wünscht, sie mögen Hundert Jahre alt werden. Diese Ehre wird Ignacy Wojtaszek nun nicht mehr zuteil, denn der Żmigróder vollendete sein 100. Lebensjahr. Dafür kamen Glückwünsche von Bürgermeister und Landrätin. Dem schließen wir uns gerne an. Manch ein Bargteheider kennt Ignacy noch von den Auftritten der Folkloregruppe Dyszel, die er mitgegründet hat, und den Seniorenbegegnungen, wo er im zarten Alter von 93 Jahren quietschfidel das Tanzbein schwang und solo aus voller Kehle Gesangseinlagen trällerte. Richtig begeistert hat ihn der Besuch unseres Heimatmuseums, weil ihm dort nämlich so manches Exponat aus eigener Handhabung vertraut war.
  • Aktion Schalte
  • Während Bargteheide noch über ein Stadtentwicklungskonzepte diskutiert, kümmert sich seine polnische Partnerstadt bereits um die Fortsetzung ihrer „Strategie für eine nachhaltige Entwicklung“ aus dem Jahr 2015 (http://www.zmigrod.com.pl/asp/pliki/pobierz/strategia_zmigrod_projekt_dokumentu_po_konsultacjach.pdf). Der neue Planungszeitraum wird die Jahre 2021 bis 2029 umfassen. Anfang September fand ein erster Workshop mit Vertretern aus Politik, Verwaltung, Umlanddörfern, Wirtschaft, lokalen Institutionen und Jugendlichen statt. Dabei ging es zunächst darum, Probleme der Bürgerinnen und Bürger und ihre Ursachen zu identifizieren. Bei einem nächsten (Online-)Treffen Ende November will man sich dann mit zukunftsorientierten Lösungen und Visionen befassen. Charakteristisch ist, dass der Dialog möglichst problemnah, lösungsorientiert und pluralistisch geführt wird.
  • Ende September fanden in Żmigród zum sechsten Mal Wahlen zum Jugendbeirat statt. Die 12 Mitglieder zwischen 12 und 17 Jahren wurden für zwei Jahre gewählt. In Żmigród gewährleistet die Wahlordnung, dass mindestens aus jeder Schule ein Vertreter in das Gremium einzieht. Bei der 2. Sitzung am 5. November wurde der Vorstand gewählt – online und in geheimer Abstimmung! Hoffen wir, dass es vielleicht irgendwann einmal zu Kontakten zwischen den Gremien beider Partnerstädte kommt. Junge Menschen könnten z. B. die Vorreiterrolle bei der europäischen Online-Zusammenarbeit übernehmen, vorausgesetzt die Erwachsenen sind bereit, ihnen zu folgen. Bei Interesse an Kontakten ist der Żmigróder Jugendbeirat übrigens über Facebook erreichbar: #ZmigrodMRM.
  • Nicht nur unter Jugendlichen ist der sogenannte Phonoholismus ein Zivilisationsphänomen. Dabei handelt es sich um die krankhafte exzessive Nutzung des Smartphons. Diese Sucht gefährdet nicht nur langfristig die psychische Gesundheit, sondern führt insbesondere im Straßenverkehr zu erhöhter Unfallgefahr, weil die Betroffenen nicht mehr auf andere Verkehrsteilnehmer achten. Um dem entgegenzuwirken hat sich Żmigród an der Aktion „Schalte ab!“ beteiligt, die von einem Breslauer Verein für Jugendentwicklung in Niederschlesien initiiert wurde. Dabei werden auf Fußwegen vor Zebrastreifen Hinweise aufgebracht, um die permanent nach unten stierenden Handy-Junkies vor dem unaufmerksamen Überqueren der Fahrbahn zu warnen. Bürgermeister und Landrätin griffen dafür sogar selbst zum Farbspray. Und insgeheim fürchte ich, dass bei uns die ganze Sache an der Verkehrsaufsicht gescheitert wäre …

 

Text: Christof Leidner

Bildmaterial: Redaktion Wiadomości Żmigródzkie, Internetseite der Gemeinde Żmigród

 

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