Ein Leserbeitrag von Christof Leidner
Ich bin in Bargteheide aufgewachsen und quasi seit Kindesbeinen an hier mit dem Fahrrad unterwegs. Mich muss man nicht erst durch eine Kampagne von den Vorteilen des Radfahrens überzeugen, denn für mich war das Rad nie in erster Linie ein Sport- oder Freizeitgerät, sondern stets Fortbewegungsmittel.
Allerdings bin ich immer trotz und nicht etwa wegen der Verkehrsinfrastruktur in Bargteheide Rad gefahren. Schon zu Zeiten als wir Dorf waren und auch noch nach der Stadtwerdung gab es überhaupt keine Radwege und als Schüler war es nicht angenehm, sich auf dem Tremsbütteler Weg oder der engen Bahnbrücke von Autos überholen zu lassen. In diesem Stadium sind wir immer noch – oder, wenn man so will: schon wieder.
Es gab eine Zeit, in der Radfahrer mehr Platz bekamen. Entlang des Tremsbütteler Wegs wurde der Fußweg verbreitert und für Radfahrer freigegeben. In der Voßkuhle, entlang der Rathausstraße und an anderen Straßen wurden Radwege angelegt. Sie sollten rot gepflastert sein, damit sie für jeden überall gleich sichtbar waren. Reste dieses Konzepts sind heute noch zu sehen. Die Verbindungen und Straßenübergänge waren nicht alle optimal gelöst, aber immerhin hatte man als Radfahrer seinen Raum.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2010 stellte dann alles auf den Kopf. Benutzungspflichtige Radwege waren fortan nur noch bei qualifizierter Gefahrenlage zulässig. Änderungen der StVO (und ihrer Verwaltungsvorschrift) taten ihr übriges. Und so wurden die Errungenschaften wieder zurückgedreht. Im Tremsbütteler Weg dürfen (und müssen!) jetzt nur noch Kinder dort fahren, wo es für Erwachsene angeblich zu gefährlich ist. Auf Geheiß der Verkehrsaufsicht reagierte die Bargteheider Verwaltung damals bemerkenswert schnell und ließ zahlreiche Radwegeschilder abmontieren, um die Radler erneut auf die für Mischverkehr bei Tempo 50 km/h eigentlich viel zu engen Straßen zu scheuchen. Stormarner Städte mit eigener Verkehrsaufsicht konnten sich da offenbar mehr Zeit lassen – oder taten das jedenfalls.
Einzige Maßnahme bisher: Fahrradschutzstreifen
Bei der Suche nach einer adäquaten Antwort war die Politik leider nicht annähernd so schnell. Seitdem liest man immer wieder allerlei Bekenntnisse und Ankündigungen. Die sichtbaren Ergebnisse der AG Radverkehr der letzten Jahre sind jedoch übersichtlich: nach langem Mühen konnte in drei Straßen die Einrichtung von einseitigen Fahrradschutzstreifen erwirkt werden. Damit hatte sich’s dann auch so ziemlich.
In jüngster Zeit werden aus der Politik wieder ehrgeizige Pläne verkündet. Von Einbahnstraßenregelungen und Radschnellwegen wird da phantasiert. Extrapoliert man die Entwicklung der letzten zehn Jahre um denselben Zeitraum in die Zukunft, weiß man, wie unrealistisch so etwas ist. Für den von der Verwaltung geplanten Fahrradgipfel sind die Ziele dagegen äußerst bescheiden: mehr Menschen für das Radfahren begeistern, Bewusstsein schaffen, aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erreichen, liest man im Protokoll der AG Radverkehr. Der Anspruch dieser Agenda lässt sich schwer unterbieten.
Parteien in sind verantwortlich
Ein Fahrradgipfel wäre für Bargteheide sinnvoll, ja! Aber er müsste praktisch und konkret sein: Vertreter von Verwaltung, Kommunalpolitik, Verkehrsaufsicht/Kreis und Polizei sollten sich dazu selbst aufs Rad setzen, gemeinsam Problemstellen im Stadtgebiet abfahren und vor Ort besprechen, wie man schnell Abhilfe schaffen kann. Die Parteien dürfen gerne ihre Land- und Bundestagsabgeordneten mitbringen. So sind keine Ausflüchte möglich, Verantwortung ist nicht mehr an Abwesende abzuschieben. Danach werden Maßnahmen und Verantwortlichkeiten vereinbart, der Fortgang in einem Dreivierteljahr begutachtet und anschließend die nächsten Schritte festgelegt. Agile Arbeitsweise nennt man das im modernen Management.
Man muss zugeben, dass beim Radverkehr der kommunalpolitische Handlungsspielraum beschränkt ist. Noch gravierender als fehlende Finanzen wirken sich ein unzeitgemäßes Verkehrs- und Planungsrecht und seine (über)strenge Auslegung zum Nachteil von Radfahrern durch übergeordnete Behörden aus. Nur leider tut Bargteheide bei der Infrastruktur nicht einmal das heute schon Mögliche. Stattdessen wählt man sich lieber mit allgemeinen Werbemaßnahmen fürs Radfahren und belehrenden Faltblatt-Appellen an das partnerschaftliche Verhalten aller Verkehrsteilnehmer regelmäßig die dünnsten und billigsten Bretter zum Bohren aus.
Wie wäre es, wenn man zumindest den Handlungsspielraum zur Verbesserung der Infrastruktur nutzt, den man heute schon hat? Als realistisches Nahziel böte sich z. B. der Radweg an der Rathausstraße an. Der ist unter wechselnden politischen Mehrheiten und Verwaltungsverantwortungen über mehrere Wahlperioden hinweg buchstäblich bis zur Unkenntlichkeit verwahrlost. Als Radweg ohne Benutzungspflicht kann er nicht gemäß StVO beschildert werden, sondern muss auf andere Weise eindeutig als solcher erkennbar sein. Dies ist heute nicht mehr gegeben und so ist es kein Wunder, wenn es zu Konflikten kommt, weil weder Fußgänger noch abbiegende Autofahrer mit Radlern rechnen.
Die Ausbesserung des Pflasters, die Erneuerung der Piktogramme und vielleicht sogar eine optisch bessere Trennung zum Fußgängerbereich (durch einzelne Pfähle oder z. B. Pflanzkübel am Rathaus) hätten eine wichtige erste Signalwirkung, selbst wenn das politisch nicht so sexy ist wie ein Fahrrad-Parkhaus. Und so eine rein bestandserhaltende Maßnahme sollte doch auch ohne langwierige Genehmigungen der Verkehrsaufsicht oder Einschaltung von kostspieligen Planungsbüros machbar sein. Erst recht braucht es dazu keine inszenierten Runden Tische oder langfristige Mobilitätsstrategien mit Achsenkonzepten und Drehscheibenvisionen.
Möchte man in Bargteheide unter (potenziellen) Radfahrern Aufbruchsstimmung erzeugen, muss der Radverkehr im politischen Entscheidungsprozess und im Verwaltungshandeln eine viel höhere Priorisierung erfahren – im Zweifel sogar zu Lasten einiger anderer Themen. Vor allem aber muss endlich ein kontinuierlicher und für Radfahrer von Jahr zu Jahr spürbarer Verbesserungsprozess eingeleitet werden, wenn man den Schwung des Fahrradbooms aus der Corona-Zeit zur Bekämpfung des Klimawandels ernsthaft aufnehmen will.
Foto auf der Startseite: Doppelt hält besser: das überflüssige Zusatzschild „Radfahrer absteigen“ sieht man vor allem an Baustellen viel zu häufig.