Endstation Bahnsteigkante – das war es dann mit dem barrierefreien Zugang zu Gleis 3 am Bargteheider Bahnhof. Diese ist nur eine Erfahrung, die die Teilnehmer*innen der Rolli-Demo in Bargteheide am vergangenen Donnerstag (24.06) machten. Mehr als ein Dutzend Menschen waren zunächst vor das Rathaus gekommen, um auf eine Vielzahl von Problemen aufmerksam zu machen, die sie im Rollstuhl, mit Rollator oder mit einem Handicap tagtäglich in ihrem Bewegungsradius erheblich einschränken.
So ist es vielen Rollstuhlfahrerinnen nicht möglich, den Mittelbahnsteig am Bargteheider Bahnhof zu erreichen, weil die Schräge zur Überquerung des Gleisbetts viel zu steil ist. „Selbst Nicht-Behinderte haben da im Winter Angst auszurutschen“, erläutert Nils Bollenbach, Grüner Direktkandidat zur Bundestagswahl, der zur Demo aufgerufen hatte.
Andreas Reigbert macht seit Jahren darauf aufmerksam, dass Menschen wie er, die auf einen E-Scooter angewiesen sind, wegen zu niedriger Bahnsteige die Regionalbahn nicht benutzen können. „Schlimm ist, dass selbst beim Bau der neuen Bahnsteige für die S4 die notwendige Bahnsteighöhe nicht eingeplant ist“, so Reigbert.
Weiter ging es in den Redebeiträgen ganz grundsätzlich um eine angemessene Aufteilung des öffentlichen Raums. Einhellig war die Forderung nach mehr Platz für Fußgänger und separaten Wegen für die Fahrräder. „Finde ich sehr gut und schlage vor dafür weniger Autos und Parkplätze“, wünschte sich eine Teilnehmerin.
Auch auf den schlechten Zustand vieler Wege in Bargteheide wurde aufmerksam gemacht. Einige seien richtige Stolperfallen. Die Baumschulenstraße ist eine davon. Dazu wurde ein Antrag der Grünen zur Sanierung bereits beschlossen. Als weiteres Beispiel wurde der Rahlsdieck hinter Sammeln und Schenken genannt. Sehbehinderten wäre außerdem schon geholfen, wenn die akustischen Signale an den Ampeln nicht vom Straßenlärm übertönt würden.
„Mehr Lohn für Menschen in Behindertenwerkstätten“, forderte Susanne Lohmann von den Ahrensburger Grünen, die selbst in einer Werkstatt arbeitet. „Mindestens 450 Euro im Monat statt 1,35 Euro die Stunde bedeutet das konkret“, so Lohmann.
„Eine Besserstellung von Menschen, die in einer Behindertenwerkstatt arbeiten“, fordert Bollenbach. „Es ist wichtig, die Sicherheiten und Chancen, die eine Werkstatt Einzelnen gibt, zu erhalten. Jedoch ist es für ein reiches Land wie Deutschland armselig, Menschen derart auszubeuten.“ Ziel müsse es sein, die vielen Menschen, die es wollen, in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern.
In dem Bericht über die Demo und die Probleme von Menschen mit Behinderungen wurden einige wichtige Punkte thematisiert. Das ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Die Liste der bestehenden Mängel ist noch weitaus länger. Für die Kommunalpolitik und die Verwaltung ist es natürlich schwierig, die Bahn zu mehr Barrierefreiheit zu bewegen. Aber in Bargteheide könnte man viele Dinge ändern, wenn der politische Wille vorhanden wäre. Weder das Freibad noch das Kleine Theater sind wirklich barrierefrei, es gibt viel zu wenige öffentliche Toiletten für Rollstuhlfahrer und nur ein oder zwei Restaurants in Bargteheide mit einer Toilette für Rollstuhlfahrer. Die meisten Praxen der Ärzte, Zahnärzte, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten in Bargteheide sind nicht barrierefrei. Es ist ein Armutszeugnis für die Stadt, dass eine politische Partei erst einen Antrag stellen muss, damit ein Überweg über eine Straße saniert wird. Der Fahrradweg über die Baumschulenstrasse ist seit vielen Jahren ein Flickenteppich aus Teerflecken und ein Ärgernis für alle Fahrradfahrer und Rollstuhlfahrer. Warum muss da für die Sanierung erst ein parlamentarischer Antrag gestellt werden? Warum kommt die Stadt ihrer Obhuts- und Sorgfaltspflicht nicht selbständig nach? Schon vor mehreren Jahren gab es dazu Begehungen der Arbeitsgruppe für die Belange von Menschen mit Behinderungen unter Leitung von Herrn Müggenburg, bei der diese Mängel protokolliert wurden. Aber passiert ist seitdem nichts. Die Arbeitsgruppe hat keine wirklichen Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte. Warum gibt es in Bargteheide eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Klimamanagerin, aber keine/n hauptamtliche/n Behindertenbeauftragte/n? In Bargteheide leben mehr als 5.000 Menschen mit einer anerkannten Behinderung! Die Zeit der schönen Worte ist vorbei! Jetzt müssen Taten folgen. Die Geduld der Menschen mit Behinderungen ist vorbei!
Der Beitrag von Herrn Reigbert weist auf einige wichtige Probleme hin. Immerhin stimmen die Antworten von Herrn Muras etwas positiv. Leider wird zu oft vergessen, dass jeder irgendwann einmal behindert sein wird, der nicht zuvor bei einem Unfall ums Leben kommt.
Was ich aber nicht verstehe: wieso ist der Übergang des Radweges Rathausstraße/Baumschulenstraße auch für Rollstuhlfahrer ein Ärgernis? Bitte klären Sie mich auf: Dürfen Rollstuhlfahrer (auch) Radwege benutzen? Ich dachte, dass diese den Fußweg benutzen müssen. Unabhängig davon ist die besagte Stelle aber in der Tat schon seit Jahren ein Ärgernis. Darauf hatte ich jüngst in einem Beitrag hier bereits hingewiesen .
Wie war das noch einmal mit der erfolgreichen Bürgermeisterin ?
Zitat
Als Bürger möchte man natürlich gerne wissen, was der gescholtenen Bürgermeisterin denn eigentlich vorgeworfen wird oder was an ihrer bisherigen Amtsführung so schlecht gewesen sein soll. Darüber erfährt man jedoch kaum etwas.
Zitat Ende
Zu dem hier geschilderten Sachverhalt sind zwei Anmerkungen zu machen.
1. Die Situation in der Baumschulenstraße ist im Bauausschuss beraten worden und es liegt ein Beschluss vor. Leider fehlt noch das Protokoll dazu, aber ich glaube, dass damals alle Ausschussmitglieder zugestimmt haben. Folgendes wurde auf der 22. Sitzung des Ausschusses für Bauen und Bauordnung am 1.10,2020 beschlossen:
Instandsetzung des östlichen Gehweges von der Theodor Storm Straße bis Höhe DRK Haus.
Dazu wird die Querneigung auf Höhe des DRK Gebäudes reduziert. Hierzu ist es erforderlich den Zugang zum Gebäude auf etwa 2 m auf privaten Grund barrierefrei mit anzupassen. …
Die bestehenden Pflasterungen und Plattenbeläge werden aufgenommen, entsorgt und auf gesamter Länge mit Betonpflaster grau 20/10/8 cm einheitlich neu verlegt.
An den Übergängen im Bereich des Traberstieges werden abgerundete Hochborde eingebaut. Diese erhalten eine 2 cm hohe Ansicht. Dies ist erforderlich um auch weiterhin die Abführung von Regenwasser zu gewährleisten. Ein ebenerdiger Einbau ist nicht möglich. Das gleiche soll auch an den Übergangsstellen zur Theodor Storm Straße erfolgen.
Die Verwaltung wird beauftragt, die Sanierung des östlichen Gehweges in der Baumschulenstraße wie beschrieben umzusetzen.
Einmalige Kosten: ca. 39.000 € , Folgekosten mtl./jährlich: 150 €
Die Umsetzung unterblieb bisher, sicher auch wegen der Corona-Situation. Sie kann nun, nachdem seit März die Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, zeitnah umgestzt werden. Zuständig ist die Verwaltung.
2. Die Anregung, eine Verwaltungskraft auf einer zunächst befristeten halben Stelle einzuwerben, die sich exklusiv um die Behindertenbelange in Bargteheide kümmert, muss in den Stellenplan für 2022 einfließen. Dem wird sich niemand verweigern. Die Fachkraft erstellt den unverzichtbaren Katalog der Schwachstellen und des Handlungsbedarfs im Ort. Sie unterstützt die Abteilung 5 bei der Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des „laufenden Geschäfts der Verwaltung“ und berät die Fachausschüsse bei allen Planungsmaßnahmen.
Der gute Wille bei allen Beteiligten im Haupt- und Ehrenamt ist vorhanden, aber jemand muss auch die Arbeitsleistung erbringen und am Ball bleiben. Das geht nur hauptamtlich, gemeinsam mit dem Behindertenbeirat.
Die Fraktionen werden die Stelle nach der Sommerpause wahrscheinlich gemeinsam beantragen. Insofern kamen die Demo und dieser Artikel zur rechten Zeit, bevor der Haushalt beraten wird.
Norbert Muras
Nachtrag vom 29.6.21
Die Baumaßnahmen für den behindertengerechten ostseitigen Fußweg in der Baumschulenstraße sind seit einer Woche im Gange. Rund siebzig Meter ab der Einfahrt zum Edeka-Markt sind fertig. In etwa zwei Wochen wird der Umbau bis zur Th.-Storm-Straße abgeschlossen sein.
Dass auf dem ganzen Straßenabschnitt schräge Flächen im Bereich der Einfahrten verbleiben, war technisch nicht vermeidbar. Die Pflasterflächen sind aber nun glatt und ohne Stolperfallen.
Norbert Muras
Ich möchte Herrn Reigbert danken, für seine Beharrlichkeit. Ich war selbst Mitglied in der AG für Beteiligung von Menschen mit Behinderungen. Dabei habe ich oft feststellen müssen, das das Arbeiten in der AG etwas von Bohren ganz dicker Bretter hat. Die meisten Kommunalpolitiker haben es nicht mit hoher Priorität verfolgt, was aus der AG vorgeschlagen wurde. Regelmäßiges Einbeziehen von der AG in Planungsvorgänge ist nur bei der Planung der Erweiterung der Dietrich- Bonhoeffer Schule erfolgt und das ist der Verdienst der Verwaltung mit ihrem zuständigen Mitarbeiter. Sollte es nun tatsächlich bald einen hauptamtlichen Behindertenbeauftragten geben, wäre es ein riesen Fortschritt, der schon lange überfällig ist. Ich hoffe da auf Hrn. Muras, der ja in seinem Kommentar die Unterstützung der Politik für die Verwaltung bei diese Personalie zugesagt hat.
Ich bedanke mich sehr für alle Kommentare und Beiträge, insbesondere auch für das Engagement von Herrn Muras. Zu der Frage von Herrn Leidner: mit einem manuellen Rollstuhl sollte man die Gehwege benutzen. Mit einem (schnelleren) Elektro-Rollstuhl oder Elektromobil sollte man die Fahrradwege benutzen, soweit vorhanden. Ich fahre ein Elektromobil mit 10 km/h Geschwindigkeit. Damit möchte ich die Fußgänger auf den Gehwegen nicht stören oder gefährden und fahre deshalb nach Möglichkeit auf den Fahrradwegen. Zu dem Kommentar von Herrn Bilz: Von den Parteien CDU, SPD und FDP habe ich öffentlich tatsächlich wenig gehört, was sie der Bürgermeisterin konkret vorwerfen. Außerdem ist es merkwürdig, dass die Parteien sich nicht schon früher zu dem Thema geäußert haben. Die Bürgermeisterin ist immerhin schon seit fast fünf Jahren im Amt. Die lange „Bearbeitungszeit“ des Radweges über die Baumschulenstrasse ist meiner Meinung nach nicht (nur) ein Problem der Bürgermeisterin, sondern der im Rathaus dafür zuständigen Mitarbeiter und auch der Stadtvertretung, die hier viel früher hätte handeln können und müssen. Zum Kommentar von Frau Schröder: Das bestätigt auch meinen Eindruck von der AG für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Herr Müggenburg ist zwar sehr engagiert. Aber die AG wird in der Politik und Verwaltung nicht ausreichend gehört und berücksichtigt.
Auch alle anderen von mir angesprochenen Probleme (mangelnde Barrierefreiheit des Kleinen Theaters und des Freibades, zu wenige öffentliche Toiletten für Menschen mit Behinderungen, nicht barrierefreie Arztpraxen, etc.) sind nicht nur Themen für die Bürgermeisterin, sondern auch und vor allem für die Politiker und die Stadtvertretung!
Anmerkungen und Fragen zu den Ausführungen von Herrn Muras:
1.) Baumschulenstrasse: Ich bin dem Bauausschuss und allen Beteiligten sehr dankbar für die beschlossene Sanierungsmaßnahme. Was ist nicht verstehe: Warum ist an den Übergängen zum Traberstieg und zur Theodor-Storm-Straße für die Abführung von Regenwasser eine 2 cm hohe Ansicht der abgerundeten Hochborde erforderlich? Für Rollstuhlfahrer*innen bedeutet jeder Zentimeter eine erhebliche Hürde und Barriere. Heutzutage sollten abgesenkte Bordsteine Standard sein! Damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Mir ging es in erster Linie um den Radweg, der entlang der Rathausstraße die Baumschulenstrasse kreuzt. Wird der im Zuge der Sanierungsmaßnahme Baumschulenstrasse mit saniert? Das wäre dringend nötig.
2.) Planstelle für eine/n hauptamtlichen Behindertenbeauftragten: Es stimmt mich hoffnungsvoll, dass Herr Muras einen guten Willen bei allen Beteiligten im Haupt- und Ehrenamt und einen entsprechenden Antrag der Fraktionen in der Stadtvertretung für den Stellenplan 2022 nach der Sommerpause in Aussicht stellt. Das wäre wirklich sehr zu begrüßen.