Neues aus Żmigród (9)

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Am 7. Oktober hat das polnische „Verfassungsgericht“ entschieden, dass Teile der EU-Verträge nicht mit der Verfassung des Landes vereinbar seien. Diese Entscheidung kann die Auflösung der europäischen Rechtsgemeinschaft bedeuten und stellt damit die EU in ihren heutigen Werten und Strukturen in Frage. Aber es gibt ein anderes, ein offenes Polen, das sich mit seinem liberalen Demokratieverständnis von den EU- und deutschlandfeindlichen Tönen aus dem Regierungslager wohltuend abhebt. Dazu gehört auch die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Żmigróds. Daher wäre es zu wünschen, dass sich noch viel mehr Menschen in Bargteheide aktiv an der Verschwisterung mit unserer polnischen Partnerstadt beteiligen und so die demokratische Entwicklung in unserem Nachbarland stärken. Mögen die folgenden Nachrichten dazu animieren.

3. Bürgermeister Robert Lewandowski und sein Stellvertreter Jerzy Siuda empfangen Żmigróder Schulleiterinnen am Tag des Lehrers (Foto: Gemeinde Żmigród)
  • Die Gemeinde Żmigród hat für die polnische Staatsbahn PKP eine besondere Bedeutung. Seit 25 Jahren betreibt die PKP hier ein 7,7 km langes Versuchsgleis, das – nebst zugehörigen Laboreinrichtungen – von Bahngesellschaften und Unternehmen aus dem In- und Ausland genutzt wird. Das reicht von Probefahrten für Triebfahrzeuge bis hin zu Waggon-Crash-Tests. Seit Juli gibt es nun noch ein neues technologisches Vorzeigeprojekt der Bahn: im Ort Garbce hat man einen hochmodernen und in Europa einzigartigen Bahn-Energiespeicher in Betrieb genommen. Die 5,5 Megawatt-Anlage wurde mit Wissenschaftlern der Universität Zielona Góra (Grünberg) entwickelt. Vier Container mit zusammen 4240 Lithium-Ionen-Zellen unterstützen die (dezentrale) Bahn-Stromversorgung aus dem öffentlichen Netz und verbessern so die Betriebssicherheit. Für ganz Polen sind 300 weiterer solcher „Power-Banks“ geplant. Als nächstes wird die Żmigróder Anlage um eine Solarfarm ergänzt. Der Speicher kann dann mit grünem Strom gespeist werden.
  • Piotr Obrycki, Direktor für Forschung und Entwicklung beim zuständigen Tochterunternehmen der Polnischen Bahn, erklärt den neuen Energiespeicher (Foto: Gemeinde Żmigród)
  • Zu den Traditionen aus der Vorwendezeit gehört in Polen der Tag der Nationalen Erziehung am 14. Oktober, der vor fast 50 Jahren als Tag des Lehrers eingeführt wurde. An diesem Tag bringen Schüler, Eltern und Verwaltung den Mitarbeitern aller Bildungseinrichtungen regelmäßig durch Blumen oder andere kleine Aufmerksamkeiten ihre Wertschätzung entgegen und manches Kollegium feiert dann gemeinsam. Auch die Żmigróder Verwaltungsspitze hatte in der letzten Woche die Schulleiterinnen zu einem Empfang ins Rathaus eingeladen. Wenn man bedenkt, welche Erwartungen an Lehrerinnen und Lehrer gestellt werden, die sich neben der Stoffvermittlung auch noch um Verhaltenserziehung, Jugendschutz, Klassenfahrten, Umweltbewusstsein, Digitalisierung, Kopfläuse und was weiß ich nicht noch alles kümmern sollen (von Corona gar nicht zu reden), ist das doch wenigstens eine gute Geste des Respekts.
  • Neue Radwege in der Gemeinde Żmigród laden zu gemeinsamen Ausflügen ein (Foto: Gemeinde Żmigród)
  • In seiner dritten Ausgabe des laufenden Jahres berichtet das Żmigróder Stadtmagazin erneut über vielfältige Aktivitäten zum Radfahren. Ein Höhepunkt war im August das internationale Fahrradjugendlager Youth Bike Love, zu dem jeweils 5 Teilnehmer aus Portugal, Spanien, Griechenland, Malta, Rumänien und Dänemark im Alter zwischen 18 und 30 Jahren angereist waren und mit ihren polnischen Gastgebern eine gemeinsame Woche verbrachten. Die gelungene Jugendbegegnung wurde mit Mitteln aus dem Erasmus-Programm finanziert. Aus Bargteheide hatte sich leider keine geeignete Partnerorganisation gefunden.
  • Gruppenbild der Teilnehmer am Youth Bike Love vor dem Żmigróder Rathaus (Foto: Marta Kamińska)
  • Żmigród lebt das Thema Radverkehr geradezu. Das hängt ganz sicher damit zusammen, dass es eine Herzensangelegenheit des Bürgermeisters Robert Lewandowski ist, der sich zu jeder möglichen Gelegenheit selbst in den Sattel schwingt. Sollte Bargteheide, wenn es sich in diesem Bereich entwickeln möchte, also nicht von den Erfahrungen der polnischen Partner lernen? Gesagt – getan: am 9. September organisierte der Europaverein gemeinsam mit der Żmigróder Verwaltung einen Online-Vortrag, in dem Lewandowski höchstpersönlich das Radverkehrskonzept seiner Kommune vorstellte. Die Zuhörer zeigten sich nicht nur wegen der Simultanübersetzung interessiert und stellten viele Fragen. Beschämend ist nur, dass von den Politikerinnen und Politikern aus den zuständigen Fachausschüssen der Bargteheider Stadtvertretung offenbar niemand den Eingang zum digitalen Veranstaltungsraum fand …
  • Und zum Schluss noch eine Anekdote aus Rawicz, der 15km nördlich von Żmigród gelegenen Nachbarstadt unserer Partnergemeinde. Im August erhielt die Polizei dort einen besorgten Anruf aus einer Zahnarztpraxis. Wie überregionale Meiden berichteten, handelte es sich bei der Anruferin um eine Patientin, die sich behandeln lassen wollte und bemerkte, dass sich der Arzt sonderbar benahm. Die herbeigerufenen Beamten veranlassten einen Alkoholtest, der nach Aussage einer Polizeisprecherin ein Ergebnis von 2,5 Promille ergab! Der 63jährige Mediziner soll zuvor bereits zwei andere Patienten auf dem Stuhl gehabt haben. Zu einer Behandlung sei es jedoch in beiden Fällen nicht gekommen, so die Pressesprecherin.

Text: Christof Leidner

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