„Welcher E-Scooter darf in den Bus?“

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Leserbrief/Erfahrungsbericht zum Artikel „Welcher E-Scooter darf in den Bus?“

Ich begrüße ausdrücklich, dass zunehmend von verschiedenen Organisationen und Verbänden auf deren Websites (zum Beispiel der DMSG Hamburg) und in deren Zeitschriften (wie in dem im Betreff genannten Artikel in der „Blickpunkt“ 4/18 der MSK e.V.) über dieses wichtige Thema berichtet wird.

Der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) hat erhebliche Zeit, Mühe und finanzielle Mittel aufgebracht, um nach diversen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit verschiedenen Verkehrsbetrieben, -Verbänden und -Verbünden im Bundesgebiet zu einem Kompromiss und einer Einigung im Sinne des zitierten, in allen Bundesländern geltenden Erlasses vom März 2017 zu kommen.

Seitdem gibt es endlich klare und verbindliche Regeln für die Mitnahme von Elektromobilen, so genannten E-Scootern, in Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).

An dieser Stelle möchte ich gerne meine persönlichen Erfahrungen mit dem Thema schildern und auf einige wichtige Punkte in diesem Zusammenhang hinweisen.

Seit Anfang des Jahres 2015 wurde mir mit meinem damaligen Elektromobil plötzlich die Mitnahme im Bus von Seiten der Busfahrer verweigert, obwohl der Transport in den Bussen des ÖPNV bis dahin immer beanstandungsfrei und reibungslos funktioniert hatte.

Das war in meinem Fall besonders dramatisch, weil der Bahnhof in meinem Wohnort Bargteheide (Schleswig-Holstein) nicht barrierefrei, das heißt, nicht für die Nutzung mit Elektromobilen geeignet ist. Seitdem mich auch die Busse mit meinem Elektromobil nicht mehr mitnahmen, konnte ich den Ort nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln verlassen. Fortan war ich auf den Transport mit einem Behindertenfahrdienst angewiesen um den nächst erreichbaren barrierefreien Bahnhof im Nachbarort Ahrensburg zu erreichen.

Die Krönung war dann Ende 2016 die Beendigung des Fahrdienstes für Menschen mit Behinderung durch den Landkreis Stormarn. (Nach vehementen Protesten durch zahlreiche Menschen mit Behinderungen wurde der Fahrdienst Anfang 2018 wieder eingeführt).

Nachdem ich seit dem Jahr 2015 quasi als „Einzelkämpfer“ erfolglos für eine Verbesserung der Situation am Bahnhof mit der Deutschen Bahn und für die Mitnahme von Elektromobilen mit der DB Autokraft GmbH gekämpft hatte, bin ich im Jahr 2016 Mitglied im Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) geworden. Eine Freundin und langjährige Behindertenrechtsaktivistin aus Berlin hatte mir den BSK empfohlen.

Nachdem der einschlägige Erlass im März 2017 verabschiedet worden war, begann ich mich bei meiner Neurologin, meinem Sanitätshaus und meiner Krankenkasse um ein neues Elektromobil zu bemühen, welches den Anforderungen des Erlasses entspricht.

Das Problem war dabei, dass es bis Ende 2017 praktisch noch keine Hersteller und Modelle von solchen Elektromobilen gab, die sämtliche Voraussetzungen des Erlasses erfüllten.

Anfang 2018 war es dann aber so weit. Der Außendienstmitarbeiter meines Sanitätshauses stellte mir nacheinander drei verschiedene Modelle vor, die ich persönlich in Augenschein nehmen und Probe fahren konnte: Cityliner 412 von der Firma Meyra, ST-4D von der Firma Drive Medical und die Modelle „Poel“ und „Seeland“ von der Firma Kymco bzw. Aktiv Deutschland.

Alle genannten Modelle haben zweifellos ihre Vorteile. Ich entschied mich dann für das Elektromobil „Seeland“ der Firma Kymco.

Mir war unter anderem wichtig, dass das Elektromobil mindestens 10 km/h schnell ist, dass es möglichst klein, leicht und wendig ist, dass ich damit meine Einkäufe etc. erledigen kann, dass der Transfer vom Rollstuhl auf das Elektromobil und zurück möglichst einfach und bequem vonstatten geht, dass ich eine bequeme Sitzposition (Körpergröße 184 cm) und genügend Fußraum habe (Schuhgröße 45/46) und last but not least sollte natürlich auch der Preis erschwinglich sein.

Da die Krankenkasse mit ihrer Fallpauschale in Höhe von rund 2.100 Euro grundsätzlich nur 6 km/h „schnelle“ Modelle bezahlt, ist für schnellere Elektromobile ein wirtschaftlicher Aufpreis zu bezahlen (in meinem Fall 1.090 Euro).

Nachdem ich das alles geklärt hatte, hat es von der ersten Probefahrt mit dem Elektromobil „Seeland“ bis zu dessen Auslieferung noch einmal fast sechs Monate gedauert. Es ist also empfehlenswert, für den ganzen Prozess der Beschaffung eines neuen Hilfsmittels, einschließlich Erprobung, Klärung der Finanzierung, Herstellung und Auslieferung, immer sehr viel Zeit einzuplanen!

Doch nachdem mir mein neues Elektromobil Ende September 2018 geliefert wurde, erlebte ich die nächste böse Überraschung, mit der ich wahrhaftig nicht gerechnet hatte: obwohl mein neues Elektromobil sämtliche Anforderungen des oben genannten Erlasses erfüllt, wurde mir die Mitnahme in den Bussen des ÖPNV von den Fahrern der DB Autokraft GmbH weiterhin verweigert!

Das Argument war und ist nun, dass die Busse der Autokraft noch nicht die technischen Voraussetzungen des Erlasses erfüllen! Ich konnte meinen Augen und Ohren kaum glauben. Ich hatte mich während der ganzen Zeit der Auseinandersetzungen und der Suche nach einem geeigneten neuen Elektromobil nur auf das Elektromobil konzentriert. Leider hatte ich nicht daran gedacht, dass möglicherweise die Busse nicht für den Transport geeignet sein könnten.

Wir vom Fachteam Mobilität des BSK haben uns nun in einem Schreiben an den Landesverkehrsminister von Schleswig-Holstein, Herrn Dr. Bernd Buchholz, dafür eingesetzt, dass möglichst bald eine Klärung herbeigeführt wird und dass auch die Verkehrsbetriebe, in diesem Fall die DB Autokraft GmbH, ihren Teil der Abmachung, nämlich die Voraussetzungen des Erlasses vom März 2017 erfüllen.

Auf jeden Fall muss ich allen betroffenen und interessierten Menschen empfehlen, sich vor der Auswahl und Anschaffung eines neuen Elektromobils auch bei den örtlichen Verkehrsbetrieben zu erkundigen ob deren Busse für den Transport geeignet sind oder ab wann das der Fall sein wird.

von Andreas Reigbert

BSK-Kontaktstelle Bargteheide

 

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