Christof Leidner berichtet regelmäßig aus unserer polnischen Partnerstadt
Seit 2001 ist Bargteheide mit dem polnischen Żmigród verschwistert. Die niederschlesische Stadt, die 40 km nördlich von Breslau liegt, bildet zusammen mit seinen Umlanddörfern eine Gemeinde. In meiner Kolumne berichte ich auf Basis von Internet- und Pressemeldungen über einige Schlaglichter aus dem Leben unserer polnischen Nachbarn, über ihre Freuden, Hoffnungen, Sorgen und Nöte. Denn die Anteilnahme am Leben einer Partnerstadt sollte sich nicht nur auf Begegnungen einiger weniger Bürger oder Offizieller beschränken.
- Anders als bei uns, wo das Amt Bargteheide-Land eine eigenständige kommunale Einheit ist, werden in Żmigród die umliegenden Dörfer gemeinsam mit der Stadt verwaltet. Daher ist die Fläche unserer polnischen Partnerkommune auch mehr als 18mal so groß wie das Stadtgebiet von Bargteheide! Von den 14.800 Einwohnern leben ca. 6.500 in der Stadt, die übrigen verstreut in 30 Ortschaften (Sołectwa) jeweils bestehend aus einem oder mehreren Dörfern. Bei diesen Voraussetzungen ist natürlich eine ausgewogene innerkommunale Strukturpolitik wichtig, damit sich in der Fläche niemand abgehängt fühlt und keinesfalls der Eindruck entsteht, dass der Zentralort bevorzugt wird. Deshalb führt die Verwaltungsspitze mindestens einmal im Jahr in jeder Ortschaft ein Gespräch mit den Bürgern, was – ohne Vor- und Nachbereitung – immerhin einen Aufwand von mindestens zwei Arbeitswochen für die Verantwortlichen bedeutet.
- Die größte Ortschaft der Gemeinde Żmigród ist mit knapp 1.000 Einwohnern Korzeńsko. Korzeńsko hat eine eigene Kirche, eine Schule, eine Ambulanz und sogar einen Bahnhof. Die Dorfgemeinschaft ist außerordentlich aktiv, wovon diverse Berichte und Filme auf Facebook zeugen (https://pl-pl.facebook.com/Koreznsko). Jüngst war aufgefallen, dass das Dorfbild durch eine ganze Menge herumliegenden Müll verschandelt war. Und so nahmen die Bürger die Sache selbst in die Hand und organisierten eine Müllsammelaktion, die – ähnlich wie das VVB-Analogon – unter dem Motto „Frühjahrsputz“ stand. Immerhin fanden sich dazu 22 Freiwillige ein, die in zweieinhalb Stunden eine ganze Anhängerladung Unrat zusammenbrachten. Damit kann sich Korzeńsko jetzt auf die warme Jahreszeit richtig freuen.
- Schon seit einigen Jahren saniert Bargteheide schrittweise seine Straßenbeleuchtung. Mit der Umstellung auf klimafreundliche LED-Leuchten wird nun auch Żmigród beginnen. Fast 2000 Leuchtelemente sollen im Rahmen eines Projektes ausgetauscht werden, für das man sich im Gemeinschaftsverbund mit 7 anderen Gemeinden erfolgreich um EU-Mittel beworben hat. Aber das ist noch nicht alles. Die Helligkeit im Beleuchtungsnetz wird dabei in Abhängigkeit des Verkehrsaufkommens computergesteuert! Die hellen Köpfe im Żmigróder Rathaus haben bereits festgestellt, dass sich die Sache nicht nur für die Umwelt lohnt: von den umgerechnet rund 1 Mio. Euro Investitionskosten kommen fast 780.000 Euro aus Fördermitteln. Und die jährlichen Einsparungen für Energie und Wartung werden auf gut 100.000 Euro veranschlagt.
- Beim letzten Mal hatte ich berichtet, dass 2021 für Żmigród ein lokales Fahrradjahr sein soll. Leider konnten wegen der epidemiologischen Situation nicht alle der ersten Veranstaltungen wie geplant stattfinden. Aber davon lässt sich die Gemeinde keinesfalls entmutigen. Mit dem Beginn des Frühjahrs stehen nun auch wieder die Fahrräder eines städtischen Mietrad-Systems, die sogenannten Ż-Bikes, für umgerechnet 70 Cent pro Stunde zur Verfügung. Und dann möchte man mit einigen Nachbargemeinden parallel zur neuen Schnellstraße S5 von Breslau nach Posen einen Radschnellweg errichten und dazu den vorhandenen Versorgungsweg nutzen. Und einmal mehr stellen wir fest, was wir spätestens seit Corona ohnehin schon wissen: Deutschland ist zu langsam!
- Der internationale Frauentag ist in Polen schon viel länger im öffentlichen Bewusstsein als bei uns. Allerdings werden dort nicht nur mit großem Ernst gesellschaftliche Defizite beklagt, sondern der Tag hat auch stets eine heiter-freundliche Note. Vielleicht liegt es daran, dass es in Polen als gutes Benehmen gilt, wenn der Herr der Dame die Tür aufhält oder ihr in den Mantel hilft, was manche deutsche Feministin als herablassende Geste empört zurückweisen würde. Polnische Frauen, die oft weniger feministisch, aber dafür emanzipierter sind, nehmen Höflichkeitsgesten gerne an. Und so findet seit 2018 alljährlich am 8. März im großen Saal des Żmigróder Kulturhauses ein Konzert statt, bei dem lokale Prominente für alle Frauen live singen, darunter Bürgermeister und einige Ratsmitglieder. Wegen der Pandemie war das dieses Mal nur online zu verfolgen (https://pl-pl.facebook.com/zpk.zmigrod/videos/738158816885814/?fref=mentions&__tn__=K-R). Ich finde dieses Format sollte man in Bargteheide unbedingt adaptieren. Hier gleich ein paar Vorschläge: nach dem Shanty-Chor der CDU-Fraktion zum Auftakt gibt Frau Dr. Kastner die Rockröhre und zum ruhigen Ausklang trägt die Bürgermeisterin mit den Herren Dalkılınç, la Baume und Muras als Backgroundsängern einige zu Herzen gehende Balladen vor. Nach einer gelungenen Performance ließe sich doch bestimmt das eine oder andere Mediatoren-Honorar einsparen …?
Text: Christof Leidner
Bildmaterial: Redaktion Wiadomości Żmigródzkie, Internetseite der Gemeinde Żmigród