Das Qualifizierungschancengesetz hat die berufliche Weiterbildungsförderung flexibilisiert und ausgebaut. „Damit können wir Unternehmen, die ihre Beschäftigten vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und des demographischen Wandels weiterbilden möchten, unterstützen. Sie sollten die Möglichkeiten nutzen und vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftebedarfes insbesondere ungelernte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren. Wer in die Qualifizierung seiner Beschäftigten investiert, investiert in die Zukunft seines Unternehmens“, sagt Grit Behrens, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe. „Art und Umfang der Förderleistungen richten sich nach der Betriebsgröße. Je kleiner ein Unternehmen, je höher fällt die Förderung aus. Wir können eine Qualifizierung mit Zuschüssen zu Lehrgangskosten und zum Arbeitsentgelt unterstützen. Interessierte Betriebe können sich gerne an ihre*n Ansprechpartner*in in unserem Arbeitgeber-Service wenden und beraten lassen.“
Die Firma H. TIMM Elektronik aus Reinbek mit 25 Beschäftigten ist ein Beispiel für ein Unternehmen, in dem ein Mitarbeiter einen Berufsabschluss gemacht hat und jetzt als gelernter Elektroniker tätig ist. Da der Mitarbeiter ungelernt und damit geringqualifiziert war, konnte die Agentur für Arbeit Bad Oldesloe über das Qualifizierungschancengesetz die Kosten für den Vorbereitungslehrgang zur Abschlussprüfung in voller Höhe und auch die Lohnkosten während der Lehrgangsteilnahme zu 100 Prozent übernehmen.
„Qualifizierte Mitarbeiter sind wichtig für unseren Unternehmenserfolg. Wir sind im Bereich explosionsgeschützter Sicherheitstechnik Marktführer, teilweise sogar Weltmarktführer und haben sehr spezielle Produkte. Know-how ist für uns wichtiges Kapital, um führend in der Technologie zu sein“, sagt Dr. Thomas Overbeck, Geschäftsführer und Inhaber der Firma H. TIMM Elektronik.
Für diese Produkte benötigt er gut ausgebildete Fachkräfte, um die notwendige hohe Produktqualität gewährleisten zu können. Einer dieser qualifizierten Mitarbeiter ist jetzt Husam Shmia, der in der Produktion als ausgebildeter Elektroniker arbeitet und elektronische Überfüllsicherungssysteme für Tankwagen montiert. Begonnen hatte der 30-jährige Syrier bei TIMM zunächst als Helfer, bevor er im November vergangenen Jahres seine Prüfung zum Elektroniker erfolgreich bestanden hat.
Shmia war 2015 aus Aleppo nach Deutschland geflüchtet. Er hatte in Syrien ein Studium als Elektrotechniker begonnen, konnte dies aufgrund des Krieges und seiner Flucht aus Syrien jedoch nicht abschließen. Nach seiner Anerkennung als Flüchtling nahm Shmia im August 2016 an einem Integrationskurs mit ergänzender KompAS – Maßnahme (Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb) bei der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) teil. Neben dem Erlernen der deutschen Sprache gehörte ein betriebliches Praktikum zum Bestandteil des Kurses. Über dieses Praktikum fand Shmia den Einstieg bei der Firma TIMM. Seine Betreuerin im Integrationskurs stellte den Kontakt für das Praktikum her. Shmia hatte sogar noch ein zweites Praktikumsangebot, entschied sich dann aber für die Firma TIMM. „Ich habe gleich gesehen, dass es hier passt und das richtige für mich ist“, erinnert er sich. Im Laufe des vierwöchigen Praktikums beeindruckte Shmia Personalleiterin Sandra Boyens: „Er zeigte eine große Leistungsbereitschaft und hohe Motivation. Daher haben wir ihm angeboten, nahtlos an das Praktikum bei uns zu arbeiten oder eine Ausbildung zu beginnen.“
Shmia entschied sich, als ungelernter Elektroniker im April 2017 bei TIMM zu beginnen. Er wollte erst einmal die „Arbeit“ in Deutschland kennenlernen. Dabei fand er auch die Unterstützung von Geschäftsführer Dr. Overbeck, der ihm zum Beispiel ein Fahrrad kaufte, um seinerzeit vom Wohnort Reinbek nach Glinde zu kommen – hier gab es nur eine schlechte Busverbindung.
In den drei Jahren nach seiner Einstellung hat sich Shmia so gut entwickelt, dass die Personalleiterin mit ihm darüber sprach, einen Berufsabschluss zu machen. „Er hat in dieser Zeit viel gelernt und ein hohes eigenes Engagement eingebracht. Dazu haben ihn die Kolleginnen und Kollegen unterstützt, seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Wir wollten ihm die Perspektive bieten, sich zu qualifizieren und so auch mehr Geld zu verdienen. Zudem benötigen wir ausgebildete Mitarbeiter, um die hohe Qualität unserer Produkte zu gewährleisten“, so Boyens.
So hat Shmia im Juni 2020 einen Vorbereitungskurs begonnen, der Helfer im Elektronikbereich auf die sogenannte Externenprüfung zum Elektroniker vorbereitet. Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung ist, dass jemand mindestens das Eineinhalbfache der vorgeschriebenen Ausbildungszeit im jeweiligen Beruf tätig gewesen ist. Hier konnte bei Shmia neben der dreijährigen Beschäftigungszeit bei TIMM seine Studienzeit mit angerechnet werden.
Für den 30-Jährigen waren die sechs Monate eine anstrengende Zeit. Er musste viel Lernen und Nacharbeiten. Aber sie war von Erfolg gekrönt: am 20. November hat Shmia seine Facharbeiterprüfung erfolgreich abgelegt. Das hat auch Geschäftsführer Dr. Overbeck gefreut: „Herr Shmia hat uns beeindruckt. Nicht nur er, auch wir als Unternehmen profitieren von ihm und seinem Berufsabschluss. Für hochwertige Produkte werden qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebraucht.“