Bargteheide – Zwei Forschungsschwerpunkte haben das Leben von Dr. Bernhard Weßling geprägt. Beruflich hat sich der Chemiker mit organischen Metallen befasst. Privat hat er sich bis heute intensiv mit der Kranichforschung beschäftigt. Vom Leben und dem Schutz für diese Vögel handelt auch sein neues Buch, das im kommenden März erscheinen wird.
Der ehemalige Bargteheider, der jetzt in Klein Hansdorf lebt, hat aus beruflichen Gründen 13 Jahre in China gelebt. „Dort werden zwei Drittel aller weltweit produzierten Leiterplatten hergestellt“, erklärt er. Durch die Beschichtung mit organischen Metallen wird die Oxidation des Kupfers auf den Platinen verhindert, sie bleiben damit länger lagerfähig und sind noch nach Jahren lötfähig. Nebenbei hat er weiterhin über Kraniche geforscht, in Japan und der demilitarisierten Zone in Korea.
Den größten Erfolg hat er mit seiner Erforschung der Kranichsprache erzielt. Und damit wohl mit entscheiden dazu beigetragen, das Aussterben der nordamerikanischen Schreikraniche zu verhindern. „Es gab damals nur noch 180 Exemplare, es ist die weltweit bedrohteste Art“, sagt er. Kinder lernen von ihren Eltern die Sprache, und ähnlich ist es auch bei den Kranichen. Wachsen sie ohne das Vorbild von Elterntieren auf, bleiben sie sozusagen sprachlos. Wenn sie ausgewildert werden sollen (das war das Ziel), dürfen sie nach der Schlupf niemals menschliche Laute hören.
Weßling hat die Rufe der Kraniche mit Hilfe eines Computerprogramms analysiert und konnte die einzelnen Tiere somit identifizieren. Mehr noch, er konnte auch die Bedeutung einiger dieser Rufe verstehen. „Wichtig dabei war die Aufnahme in der Wildnis ohne die Kraniche zu stören“, sagt er. Damit verfolgt er einen anderen Ansatz als die herkömmliche Verhaltensforschung: „Ohne menschliche Beeinflussung und ausschließlich im Freiland.“
Das erwies sich auch bei einem Auswilderungsprojekt von Kranichen aus Aufzuchtstationen in Nordamerika als ein probates Mittel. Zuvor waren die Vögel in Gefangenschaft stumm aufgewachsen, als Bezugspersonen gab es nur menschliche Pfleger. Schon den Eiern der ungeborenen Vögel im Brutkasten wurden dann im Projekt die Kranichlaute vorgespielt. Dazu gehörten auch die Lockrufe und Flugrufe, mit denen die Winterwanderung nach Süden begleitet wird. So lernten schon die Küken die Kranichsprache.
Mit einem Ultraleichtflugzeug spielte er als Copilot einer Gruppe von Jungkranichen die Lockrufe aus dem Lautsprecher vor. Und tatsächlich folgten die Kraniche dem Flugzeug, das damit quasi zum Leittier für sie wurde. So zogen sie hinterher aus dem US-Staat Wisconsin zum Winterquartier nach Florida. Das wurde seit 2001 bis heute jährlich durchgezogen. Mittlerweile umfasst deren Bestand wieder etwa 500 Schreikraniche. Nach ihrem „Sprachunterricht“ sind sie in der Lage, mit ihren Artgenossen sofort zu kommunizieren. „Das sind noch nicht genug, um die Art zu erhalten“, so Weßling, „dafür müsste die Population dreimal so groß sein.“
Beobachtungen dazu hat Weßling schon vor Jahrzehnten im Duvenstedter Brook gemacht. Dort ist wie im benachbarten Hansdorfer Brook ein Brutgebiet der Graukraniche. Und ganz in der Nähe hat er ein Haus gekauft. „Von dort aus kann ich eine Kranichfamilie bei der Futtersuche beobachten und ihre faszinierenden Tänze sehen.“
Im Buch zieht er Bilanz über 30 Jahre Kranichforschung und nimmt dabei Partei für den Artenschutz. Dem Umwelt- und Naturschutz gelten auch seine weiteren Aktivitäten. Als Teilhaber und Geschäftsführer eines Demeter-Bauernhofs, dem Kattendorfer Hof, haben er und seine Mitgesellschafter jetzt 450 Hektar Fläche gepachtet. Die Bio-Erzeugnisse werden im Hofladen und drei eigenen Hamburger Geschäften verkauft. Nach dem Prinzip „solidarische Landwirtschaft“ werden auch Ernteanteile angeboten.