Mit Mut und Vertrauen Kinderarmut bekämpfen
Zum zehnten Mal erinnerte der Kinderschutzbund Stormarn am gestrigen Weltkindertag mit der Fähnchen-Aktion auf der Ahrensburger Schlosswiese an die Kinder im Kreis, die als arm gelten. Und jedes Jahr sind wir dabei, um darüber zu berichten, denn geht es um Kinderarmut, ist wenig Verbesserung in Sicht. Zwar beteuern Politiker aller Parteien Jahr für Jahr wieder, wie wichtig Ihnen die Jüngsten in unserer Gesellschaft sind, passieren tut aber offenbar wenig. Die Anzahl der Kinder in Hartz-IV-Familien stagniert auf hohem Niveau.
Mehr als 8000 Kinder sind im Kreis Stormarn von Armut betroffen, bundesweit sind es je nach Berechnungsmethode drei bis 4 Millionen.
Norbert Muras beklagte das fehlende politische Konzept zur Armutsbekämpfung. Muras war vor 42 Jahren eines der Gründungsmitglieder des DKSB Stormarn und ist bis heute Mitglied des ehrenamtlichen Vorstands. Zwar tue man auf in den Kommunen, was man kann, um Familien zu unterstützen, sagt er. Für wirkungsvolle, nachhaltige Armutsbekämpfung sei aber der Bund zuständig. Dem pflichtete Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach bei: „In Deutschland braucht es eine kinderfreundlichere Infrastruktur. Wir können für die Einrichtung der Offenen Ganztagsschule oder bezahlbares Schulessen sorgen. Da hörte es aber auch schon beinah auf.“ Auch Kreistagspräsident Hans-Werner Harmuth begrüßte die jährliche Aktion. Es sei wichtig, einmal im Jahr an die Bedürfnisse der Kinder zu erinnern. Eigentlich sollte jeder Tag ein Kindertag sein.
Schülerinnen und Schüler unterstützten die Aktion
Unterstützt wurde die Fähnchen-Aktion von zwei 6. Klassen der Stormarnschule und zwei Klassen der Beruflichen Schulen Ahrensburg. In beiden Schulen fanden in der vergangenen Woche Workshops zum Thema Kinderarmut statt, in denen die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Aspekte von Kinderarmut hier im Kreis Stormarn diskutierten. Ein Mädchen brachte dabei die Situation auf den Punkt, so die Geschäftsführerin des DKSB Stephanie Wohlers: „Arme Kinder, das sind Kinder, die nicht alles haben, was sie brauchen“. Dem habe sie sie nichts hinzuzufügen.
Die Schülerinnen Naoka und Adela erschraken angesichts der hohen Zahlen im Kreis. Bei uns in Ahrensburg haben wir bislang nichts von Kinderarmut mitbekommen, es sei doch eine relativ wohlhabende Stadt.
Unzureichende finanzielle Mittel – das sind z.B. die aktuellen Hartz-IV-Sätze – führen zu weniger Teilhabe und zu weniger Chancen, das eigene Leben zu gestalten. Daher fordern wir eine Kindergrundsicherung, die Kindern ein würdiges Leben ermöglicht.“ Auch flächendeckende, niedrigschwellige Angebote seien wichtig.
Besonders ländliche Regionen sind unterversorgt
Konkret bedeutet das, Familien zu unterstützen und benachteiligten Kindern so zu helfen, dass sie nicht abgehängt werden. Hier sind die Familienzentren zu nennen, das Netzwerk Frühe Hilfen und auch Spiel- und Beratungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe und -arbeit. Gerade in ländlichen Regionen gibt es hier noch zu viele unterversorgte Gegenden.
„In den aktuellen Wahlkampreden werde Kinderarmut intensiv diskutiert“, meint Stefanie Wohlers. Auch die Medien berichten regelmäßig darüber. „Die Corona-Krise hat uns noch einmal deutlich gezeigt, wo die Schwachstellen in unserer Gesellschaft liegen. Vielen Familien fehlt schlichtweg das Geld, für Computer oder Tablets, die den Schülerinnen und Schülern eine Teilnehme am Homeschooling ermöglichet, was zur Folge hat, dass ihre Kinder wenig bis gar nicht am Unterricht teilnehmen konnten“. Aber auch ohne Pandemie sei der Zugang zur Bildung eine zu große finanzielle Hürde. So fordert der DKSB zum Beispiel kostenfreies Unterrichtsmaterial. Bücher und Arbeitshefte müssen von den Schulträgern zur Verfügung gestellt werden.
Und noch ein weiterer Punkt ist Stephanie Wohlers in der Debatte über Kinderarmut besonders wichtig: „Wir sollten endlich mit den Vorurteilen gegenüber Familien in Armut aufhören. Viele meinen immer noch, dass Eltern nicht das Beste für ihre Kinder wollen und das Geld nicht bei ihnen ankäme. In unserer direkten Arbeit mit den Familien sehen wir aber das genaue Gegenteil. Was wir uns wünschen ist armutssensibles Handeln. Eltern und Kindern sollte Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht werden, damit sie auch in die Lage versetzt werden, sich aus einer Notsituation heraus selbst zu befreien.“
„Die aktuelle Kampagne unseres Bundesverbandes hat den Slogan ‚Kinder haben Armut nicht gewählt‘“, ergänzt Stephanie Wohlers. „Ich bitte alle Beteiligten, die positiv Einfluss auf das Leben von armen Kindern haben können, dies nicht zu vergessen. Außerdem möchte ich mich bei allen Menschen bedanken, die an unserer Seite stehen und den Kreis Stormarn kinderfreundlicher und kindergerechter gestalten.“
Für den Kreis Stormarn fordert der Kinderschutzbund u.a.:
- Regelmäßige Armutsberichterstattung in den Städten und Kommunen
- Investitionen in die „Kinder-Infrastruktur“, um benachteiligten Kindern wirkungsvoll zu helfen
- Kommunale Hilfsfonds, die armen Kinder und ihre Familie fördern
- Keine zusätzlichen Zahlungen für Eltern von Kita-Kindern
- Kostenfreier Zugang für arme Kinder im Rahmen der offenen Ganztagsschule
- Kostenfreie Nutzung von kulturellen Veranstaltungen für arme Kinder und deren Familien
- Ausreichend kostenfreie Freizeit- und Ferienangebote in allen Städten und Gemeinden