Neues aus Żmigród (10)

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Seit 2001 ist Bargteheide mit dem polnischen Żmigród verschwistert. Die niederschlesische Stadt, die 40 km nördlich von Breslau liegt, bildet zusammen mit seinen Umlanddörfern eine Gemeinde. In meiner Kolumne berichte ich auf Basis von Internet- und Pressemeldungen über einige Schlaglichter aus dem Leben unserer polnischen Nachbarn, über ihre Freuden, Hoffnungen, Sorgen und Nöte. Denn die Anteilnahme am Leben einer Partnerstadt sollte sich nicht nur auf einige wenige Bürger oder Offizielle beschränken.

Die fünf Gründerinnen von Artes Edu
  • Viele Zeitgenossen bejammern die durch Corona verursachten Widrigkeiten. Das ist zwar verständlich, aber auch irgendwie ziemlich sinnlos, weil man am eigentlichen Problem ja nur schwerlich etwas ändern kann. Dass es auch anders geht, zeigen 5 junge Żmigroderinnen. Die tatkräftigen Damen unter Vorsitz von Anna Skocz wollten nicht erst das Pandemieende abwarten und haben vor gut einem Jahr die Stiftung ARTES EDU gegründet, die gesellschaftliche Bildungsangebote organisiert. Neben Medienseminaren für Schüler und Lehrer zum sicheren Umgang mit dem Internet, führte ARTES EDU u.a. eine Schreibwerkstatt, im Sommer eine internationale Jugendbegegnung und Workshops zur Rolle der Frau im 21. Jahrhundert durch. Eine stolze Bilanz für das erste Jahr! Seit Januar läuft übrigens ein auf 3 Jahre angelegtes demokratisch-ökologisches Bildungsprojekt für Schüler aus Polen, Portugal und Italien.
  • Bei-der-Anlehnung-an-das-historische-Siegel-o.-l.-verschwand-das-Kreuz-aus-dem-bisherigen-Wappen-u.-l. Rechts-Aktuelle-Fassungen-von-Siegel-und-Wappen
  • Landwirtschaftliche Betriebe haben es auch in Polen schwer. Umso bemerkenswerter ist die Erfolgsgeschichte des Sznajder-Hofs in Karnice, den die Geschwister Emilia Chmura und Michał Sznajder in dritter Generation betreiben. Vor einigen Jahren hatten Emilia und ihr Mann von ihren großstädtischen Bürojobs genug und stiegen in den Familienbetrieb ein, dessen Spezialität der Anbau von Gurken, Weißkohl und anderem Gemüse ist. Man nahm die Vermarktung selbst in die Hand und überlegte sich ein Konzept, das denkbar schlicht ist: das Gemüse wird auf kontrollierten Böden nur mit Naturdünger angebaut und vor Ort mit Wasser, Salz und Gewürzen fermentiert. Vom guten Geschmack der Produkte konnte ich mich schon selbst überzeugen. Heute ist die Marke Sznajder in Polen landesweit bekannt und war auch schon auf der Grünen Woche zu Gast. Alles wirklich Geniale ist eben immer einfach!
  • Eine ganz besondere Kunstinstallation war Ende letzten Jahres in der Żmigróder Bibliothek zu bestaunen. Das polnisch-ukrainisch-armenische Projekt ARTIFAKE: ART INVADES FAKE will auf das weltweite Problem zunehmender Desinformation aufmerksam machen. Dazu hatte eine Breslauer Stiftung für zeitgenössische Kunst in einer Vitrine einen großen Fake-Drucker ausgestellt. Das Gerät druckt Falschinformationen aus dem Internet, die von Agenturen und Nachrichtenredaktionen aus aller Herren Länder als solche identifiziert und in Echtzeit übermittelt werden. Beeindruckend ist dabei die schiere Menge an Propaganda, die das Gerät ausspuckt. Zur Eröffnung in Żmigród gab es für Schüler und Senioren Workshops, in denen die Teilnehmer für dieses brandaktuelle Problem jeweils altersgerecht sensibilisiert wurden. Eine wirklich gute Initiative, denn nicht nur gegen Krankheiten sollte man geimpft sein!
  • Eines der schönsten Häuser im Zentrum Żmigróds steht in der ulica Lipowa (Lindenstraße) und ist seit Jahrzehnten in einem beklagenswerten Zustand. Als Żmigród noch Trachenberg hieß, residierte in dem repräsentativen Bau das Amtsgericht. Nach dem Krieg war das Gebäude vorübergehend Lagerraum bevor es 27 Jahre lang als Kulturhaus diente. Seit 1986 stand es leer und verfiel. Aber seit kurzem ist das Objekt im Besitz eines Investors, der auch schon mit den Vorbereitungen für eine Sanierung und künftige Nutzung als Wohn- und Geschäftshaus begonnen hat. Und da man sich in Polen aufs Restaurieren versteht, darf man sich wohl schon jetzt auf eine architektonische Perle im Herzen Żmigróds freuen.
  • Im Juli hatte der Żmigróder Stadtrat einstimmig ein neues Gemeindewappen beschlossen. Der Entwurf war über mehrere Jahre unter Beachtung aller rechtlichen Vorgaben von einem Heraldiker entwickelt und vom polnischen Innenministerium genehmigt worden. Turm und Drachen sollten als Elemente der Kontinuität sicherstellen, dass sich die Bürger auch mit der neuen Gemeindeinsigne identifizieren können. Doch schon bald rührte sich in der Einwohnerschaft Unmut: auf der Turmspitze fehlte das Kreuz und das ist im katholischen Polen politisch sehr dünnes Eis! Da halfen auch keine Verweise auf Experten oder urhistorische Wappenfassungen. Im Stadtmagazin zeigte sich Bürgermeister Lewandowski einsichtig und stellte gar die Wiederholung des kompletten Verfahrens in Aussicht. Denn, so schreibt er, Symbole sollten nicht trennen. In Bargteheide mag man sich über die Aufregung etwas wundern, weil bei Auftragsvergaben durch eine Verwaltung schließlich noch ganz anderes versehentlich verschwinden kann.

Text: Christof Leidner

Bildmaterial: Internetseite der Gemeinde Żmigród, Redaktion Wiadomości Żmigrodzkie, Fundacja ARTES EDU

Liebe Żmigród-Interessierte,

in Bargteheide wird derzeit überlegt, wie die Städtepartnerschaften mit Żmigród und Déville künftig ausgestaltet werden sollen. Von den Ergebnissen wird abhängen, ob „Neues aus Żmigród“ wie bisher fortgesetzt wird oder ob diese Jubiläumsausgabe vielleicht die letzte war. Ich hoffe, die Lektüre hat Ihnen und Euch bislang gefallen und etwas Neugierde auf Begegnungen mit den Menschen aus unserer polnischen Partnergemeinde geweckt.

Do zobaczenia

Christof Leidner

 

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