Neues aus Żmigród (4)

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Eine Kolumne von Christof Leidner

Seit 2001 ist Bargteheide mit dem polnischen Żmigród verschwistert. Die niederschlesische Stadt, die 40 km nördlich von Breslau liegt, bildet zusammen mit seinen Umlanddörfern eine Gemeinde. In meiner Kolumne berichte ich auf Basis von Internet- und Pressemeldungen über einige Schlaglichter aus dem Leben unserer polnischen Nachbarn, über ihre Freuden, Hoffnungen, Sorgen und Nöte. Denn die Anteilnahme am Leben einer Partnerstadt sollte sich nicht nur auf persönliche Begegnungen einiger weniger Bürger beschränken.

 Wichtigstes Thema ist und bleibt auch in Żmigród leider vorerst Corona. „Die Welt blieb stehen. Nicht Polen, sondern die Welt.“, so beschrieb die Stadtzeitung „Żmigróder Nachrichten“ den Lockdown. Aber menschliche Zivilisation war dennoch spürbar: Kammerkonzerte des Kulturhauses und auch die Osterliturgie der Pfarrgemeinde fanden online statt. Und am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, boten Mitarbeiter einer Behinderteneinrichtung auf dem Marktplatz kostenlos selbstgenähte Masken an, die an einer Leine zur gefälligen Selbstbedienung aufgehängt waren. Selbst in diesen Zeiten kann man also mit öffentlichen Kundgebungen auf politische Probleme hinweisen, wenn man nur besonnen und phantasievoll zu Werke geht.

Ende Juli erlebte Żmigród dann seinen „Corona-Schock“. Innerhalb von nur einer Woche verdoppelten sich die Fallzahlen in der Kleinstadt von 14 auf 28! Ein Ausgangspunkt war dabei ausgerechnet die Kommunalverwaltung, wo insgesamt 5 Personen positiv getestet wurden. Die Verwaltungsspitze fackelte nicht lange: das Rathaus wurde sofort geschlossen und komplett auf Homeoffice umgestellt. Infektionsketten wurden konsequent verfolgt und eine gründliche Desinfektion des Gebäudes vorgenommen. Nach einer Woche konnte man wieder für den Besucherverkehr öffnen, allerdings mit gebührenden Vorsichtsmaßnahmen. Seitdem sind die Fallzahlen konstant. Hoffen wir für die Infizierten auf milde Verläufe bzw. eine folgenlose Genesung.

Offizieller Hinweis der Verunreinigung der Barycz

Als wäre Corona nicht schon genug Unheil, war Żmigród im Juli auch noch von einer Umweltkatastrophe bedroht. Die Gemeinde ist an der Barycz gelegen, einem Nebenfluss der Oder. Das wunderschöne Flusstal bildet mit seinen Teichen, 5 Naturreservaten und vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten den größten Landschaftsschutzpark Polens. Anfang Juli meldeten Anwohner am oberen Flusslauf starke Verunreinigungen. Auf rund 60 km war das Wasser nur noch eine trübe, stinkende Brühe, in der alles Leben abgestorben war! Höchstwahrscheinlich waren organische Verunreinigungen durch Fäkalien die Ursache für das Öko-Massaker. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Auf Żmigróder Gemeindegebiet, wo man sich um den Aufbau eines sanften Naturtourismus bemüht, waren glücklicherweise keine sichtbaren Auswirkungen dieser Tragödie mehr festzustellen. Mit einer sauberen Umwelt ist es eben wie mit der Gesundheit und der Freiheit: ihren wahren Wert erkennt man erst, wenn sie akut bedroht sind.

In Żmigród legt man Wert auf ein gutes äußeres Erscheinungsbild. Dazu gehört selbstverständlich ein richtiger Markenauftritt, der die Stadt nicht nur nach außen bekannt macht, sondern auch zur Identifikation mit dem eigenen Wohnort bzw. Arbeitgeber beiträgt. Im Mai hat Żmigród deshalb ein neues Stadtlogo präsentiert, das künftig Briefbögen und allerlei Giveaways zieren soll. Das professionell gestaltete Signet bestätigt einmal mehr, dass man in Polen die Kunst des Grafikdesign exzellent beherrscht. Es zeigt ein monochromes Wappen, in dem sich ein stilisierter Drachen um den Burgturm windet, was ein wenig an den Äskulapstab erinnert. Übrigens hat auch der größte Ort der Gemeinde, das Dorf Korzeńśko, gerade ein eigenes Logo herausgebracht, das dort jedoch von einer Einwohnerin entworfen wurde.

In diesem Jahr begeht Polen das 30jährige Jubiläum der demokratischen kommunalen Selbstverwaltung, die mit den Kommunalwahlen am 27. Mai 1990 begann. Und selbst Corona konnte die gebührende Erinnerung an dieses historische Ereignis nicht verhindern. Auf der Żmigróder Internetseite berichten in loser Folge 30 prominente Personen aus Politik und Verwaltung über ihre meist positiven Erfahrungen mit der kommunalen Selbstverwaltung. Darunter sind ehemalige und aktive Bürgermeister, Ratsvorsitzende, Stadtverordnete, aber auch ein Kulturhausleiter und eine Schuldirektorin (Lehrer sind in Polen kommunale Angestellte). Fast alle heben die Gestaltungsmöglichkeiten zum Wohle der Menschen vor Ort hervor. Dass die Möglichkeit dazu nicht selbstverständlich ist, sollten sich hierzulande vor allem jene vergegenwärtigen, die sich erst dann engagieren, wenn ein Bauvorhaben vor ihrer Tür geplant wird.

Lokale Nachrichten im Laufe der Zeit

Ebenfalls vor 30 Jahren, am 4. Juli 1990, erschien die erste Ausgabe der Żmigróder Nachrichten. Weil es keine private Lokalpresse gab, gründete man damals die Stadtzeitung, die bis heute von städtischen Angestellten sowie Bürgerinnen und Bürgern gestaltet wird. Zum runden Geburtstag kam es zu einem Treffen der Redaktionsgenerationen und bei Kaffee und Geburtstagstorte stöberte man in alten Ausgaben. Ich selbst habe übrigens auch schon manchen Text beisteuern dürfen und versuche mich seit kurzem an einem polnischen Pendant zu dieser Kolumne. Wer wissen möchte, was man in Żmigród über Bargteheide lesen kann, besuche die Seite des Europavereins Bargteheide:

https://www.europaverein-bargteheide.de/index.php?/archives/44-Stadtzeitung-migrod-Neues-aus-Bargteheide.html

 

Text: Christof Leidner

Bildmaterial: Redaktion Wiadomości Żmigródzkie

 

1 Kommentar

  1. Herzlichen Dank für diese Kolumne. Ich hatte mir schon Gedanken gemacht, wie es in Zmigrod zu Coronazeiten zugehen mag. Und auch die anderen Informationen bringen uns die Partnerstadt näher!
    So gibt es bei einem Wiedersehen auch Gesprächsthemen, die man aufgreifen kann.

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